Iris Ritzmann (52) wirkt gut gelaunt, als sie am Morgen am Bezirksgericht Zürich eintrifft. Sie unterhält sich vergnügt und trinkt Kaffee aus der Thermoskanne. «Ich bin zuversichtlich», sagt sie vor Prozessbeginn. Privatkläger Christoph Mörgeli verzichtet auf die Teilnahme am Prozess.
Bis zu drei Jahre Knast
Rund 40 Journalisten und Bekannte der Angeklagten sind vor Ort. Sie alle wollen wissen, welche Rolle Ritzmann in der Affäre Mörgeli übernommen hat. Hat sie die Affäre gar ins Rollen gebracht? Davon ist der Staatsanwalt überzeugt. Er fordert, dass Ritzmann wegen mehrfacher Verletzung des Amtsgeheimnisses verurteilt wird.
Der mögliche Strafrahmen dafür reicht von Geldstrafen bis hin zu Freiheitsstrafen von maximal drei Jahren. Ritzmann soll gemäss Anklage einem «Tages-Anzeiger»-Journalisten vertrauliche Berichte zugespielt haben, in denen Christoph Mörgeli, der damalige Museums-Kurator, kritisiert wurde. Zudem habe sie dem Journalisten die Zugangsdaten für Uni-Datenbanken verraten, auf denen vertrauliche Berichte gespeichert sind. Ritzmann bestreitet die Vorwürfe.
Hickhack um Daten-CD
Der zentrale Punkt der Anklage bildet eine CD mit belastendem Material, die Ritzmann dem Journalisten zur Verfügung gestellt hatte. Doch genau dieses wichtige Beweismittel darf nicht vor Gericht verwendet werden.
Der Staatsanwalt habe bei der Beweisbeschaffung die Rechtsgrundlagen nicht eingehalten, entschied die Richterin am Nachmittag. Erst durch eine grossflächige Auswertung von Telefon- und E-Mail-Daten war er auf Ritzmann und an die Daten-CD gekommen. Doch dafür braucht es eine Genehmigung des Zwangsmassnahmengerichts. Diese Formalie fehlt aber.
Staatsanwalt mit leeren Händen
Zudem dürfe auch bei begründetem Verdacht nur in engen Grenzen kontrolliert werden, entschied die Richterin. «Es gilt ein absolutes Verwendungsgebot», sagte sie im Bezug auf das Beweismittel. Somit werden auch alle Einvernahmeprotokolle mit Ritzmann aus den Akten genommen. Für den Staatsanwalt bleibt nichts übrig, worauf er seine Anklage stützen könnte. Andere Beweise als diese Daten hat er nicht.
Für diesen Entscheid bezog sich das Gericht auf ein Bundesgerichtsurteil vom August 2014, das sich mit Christoph Blocher und der «Affäre Hildebrand» befasste.
Die Richter in Lausanne entschieden, dass die Zürcher Staatsanwaltschaft die Korrespondenz zwischen Blocher und der «Weltwoche» bei der juristischen Aufarbeitung nicht als Beweis verwenden darf. Dieses Urteil war wegweisend für den Quellenschutz.
Blocher hilft Ritzmann
Es ist also ausgerechnet Blocher, der Ritzmann bis auf Weiteres vor einer Verurteilung wegen Amtsgeheimnisverletzung schützt. «Was für Herrn Blocher gilt, gilt vorläufig für alle», sagte die Richterin.
Es ist allerdings absehbar, dass der Staatsanwalt diesen Entscheid nicht akzeptieren und an die nächste Instanz weiterziehen wird. Es ist gut möglich, dass das Bundesgericht erneut zu diesem Thema Stellung beziehen muss.
Der Prozess wird mit den Plädoyers von Staatsanwalt und Verteidigung fortgesetzt. Dabei ist allerdings unklar, was der Staatsanwalt nach dieser Niederlage überhaupt noch plädieren will.
Er will Ritzmann wegen mehrfacher Amtsgeheimnisverletzung verurteilt sehen, weil sie die «Affäre Mörgeli» ins Rollen gebracht haben soll. Die 52-Jährige ist mittlerweile wieder teilzeit berufstätig. Sie arbeitet als beratende Ärztin in einer Privatpraxis und ist nach wie vor Lehrbeauftragte an der Uni. Daneben ist sie aber auf Arbeitslosengelder angewiesen. (gpr/mad)