Pro Woche durchschnittlich eineinhalb bis zwei Tage wendet Beatrix Jud (60) für ihr Amt als Sozialvorsteherin der Stadt Opfikon im Zürcher Unterland auf – und das, obwohl sie bei der IV als 100 Prozent arbeitsunfähig registriert ist. Der Fall, gestern durch den «Tages-Anzeiger» publik gemacht, sorgte für Empörung.
Völlig zu unrecht, meint die Betroffene. Nachdem sie gegenüber dem «Tages-Anzeiger» nach erstem Abblocken nur über ihren Mann kommunizierte, nimmt sie nun in einem öffentlichen Brief, veröffentlicht gestern auf ihrer Homepage, Stellung.
«Laufend von der IV überprüft»
Nach dem Hirnschlag im Jahr 2012 habe sie «die Sprache und Schreibfähigkeit völlig verloren» und sei deshalb zu 100 Prozent arbeitsunfähig gewesen. «Durch gute ärztliche Betreuung konnte dann aber mein Zustand stabilisiert werden, und mit geeigneten Therapien gelang es in den letzten zwei Jahren, etwa 30% meiner Leistungsfähigkeit wieder aufzubauen», schreibt Jud. «Die verbliebene Arbeitsfähigkeit habe ich dann voll für mein Mandat als Stadträtin von Opfikon eingesetzt.»
Sie bestätigt die Aussage ihres Ehemanns, der zufolge die Invalidenversicherung stets über ihr Engagement informiert gewesen sei. Sie habe «keineswegs IV-Rente erschlichen», sondern «diese Rente deckt korrekt die medizinisch festgestellten Defizite ab, die auch von der IV laufend überprüft werden». Auf eine erste Anfrage des «Tages-Anzeigers» hin hatte Jud noch bestritten, eine IV-Rente zu beziehen.
Chefin oder nicht?
Nicht der einzige Widerspruch. Während Jud in ihrem offenen Brief schreibt, als Treuhänderin «nicht mehr operativ» tätig zu sein, sondern «diese Funktionen an Dritte delegiert habe» und in der Folge auch keinen Lohn mehr beziehe, gibt sie nur einen Klick entfernt auf einer anderen Seite ihrer Homepage an, zwei Firmen zu führen.
Bevor sie mit den Recherchen konfrontiert worden sei, habe Jud ausserdem bestätigt, «60 bis 80 Prozent» als Treuhänderin zu arbeiten und «Kunden aus der ganzen Schweiz» zu betreuen. schrieb der «Tages-Anzeiger» gestern. Und auch im Handelsregister wird sie bei mehreren Firmen als Geschäftsführerin, Inhaberin oder Finanzexpertin geführt.
Rücktritt kommt für Jud nicht in Frage
Jud glaubt, Opfer einer Kamagne eines Polit-Gegners geworden zu sein. Einem, dem sie sich nicht kampflos ergibt. Die Aufgabe ihres Amtes als Stadträtin komme nicht in Frage, schreibt die Opfikerin. Sie sei «nicht nur bereit, sondern weiterhin festen Willens, diesen Einsatz zu leisten und mein Mandat als Stadträtin weiterzuführen, ganz unabhängig davon, mit welchen Mitteln mich meine politischen Gegner attackieren.»
Zudem kündigte die parteilose Stadträtin an, in Kürze an einer Informationsveranstaltung auch mündlich Stellung zu den Vorwürfen zu beziehen. (lha)