Raubüberfälle auf Bijouterien nehmen rasant zu
Erste Juweliere kapitulieren – vor den Prämien

Jede zweite Woche wird in der Schweiz ein Juwelier überfallen – ein Höchststand. Die Versicherungsprämien steigen, manche Juweliere schliessen deshalb.
Publiziert: 05.11.2017 um 20:43 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 05:35 Uhr
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Uhrenmacher Maag von der Zinniker AG wurde bereits vier Mal überfallen.
Foto: Sabine Wunderlin
Cyrill Pinto

Sie kamen am helllichten Tag und waren mit Pistolen bewaffnet: Zwei Männer überfielen vor zehn Tagen die Filiale des Juweliers Bucherer an der Zürcher Bahnhofstrasse. Dabei erbeuteten sie 14 Luxusuhren.

Einer der beiden Täter, ein 24-jähriger Serbe, konnte nach kurzer Zeit verhaftet werden. Bei ihm wurden Uhren im Wert von 100'000 Franken sichergestellt. Nach dem zweiten Täter wird noch immer gefahndet.

Die Schweiz ist in diesem Jahr mit einer beispiellosen Zunahme bewaffneter Raubüberfälle konfrontiert, wie das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage von SonntagsBlick mitteilt.

Gemäss Zahlen des Fedpol gab es in diesem Jahr bereits 22 bewaffnete Raubüberfälle auf Bijouterien. Im Vorjahr waren es nur zwölf solche Raubüberfälle, 2015 waren es gar nur deren zehn.

Europol wird aktiv

Um der Zunahme von Raubüberfällen auf Bijouterien entgegenzutreten, hat die europäische Polizeibehörde Europol das Projekt «Diamond» ins Leben gerufen. Auch die Schweiz ist daran beteiligt. «Diamond fokussiert sich generell auf bewaffneten Juwelenraub», sagt Fedpol-Sprecherin Lulzana Musliu.

Neben der Zusammenarbeit der Schweizer Polizei auf internationaler Ebene führt die Schweiz ihr nationales Projekt «Armed Jewel Robbery» weiter. Damit unterstützt das Fedpol die Strafverfolger der Kantone. «Wir leiten ihnen neue Erkenntnisse und Hinweise aus dem Ausland weiter», so Musliu.

Die Ermittlungsarbeit der Polizei ist bei den Schweizer Bijoutiers hochwillkommen. Denn für die Ladenbesitzer ist ein Überfall nicht nur eine starke psychische, sondern auch eine finanzielle Belastung. Nach jedem Überfall steigen auch die Prämien für die Versicherung – für manche Ladenbetreiber wird diese Belastung so hoch, dass sie ihr Geschäft aufgeben, wie André Hirschi (67) vom Verband der Schweizer Goldschmiede und Uhrenfachgeschäfte (VSGU) zu SonntagsBlick sagt: «Ich kenne Berufskollegen, die ihren Laden deswegen geschlossen haben.» Für Bijoutiers werde es überhaupt zunehmend schwierig, noch einen Versicherer zu finden.

Mit Pistolen und Pfefferspray

So wie für den Zürcher Bijoutier Johannes Maag (57), dessen zwei Filialen bereits viermal überfallen wurden, zuletzt im Frühling der Laden in Bülach ZH. «Ich telefonierte gerade mit einer Mitarbeiterin in der dortigen Filiale, als die Räuber dort zuschlugen.» Auch Maag selbst war schon betroffen, als 2015 die Filiale in Zollikon ZH überfallen wurde. Vier Räuber bedrohten ihn und seine Angestellten mit Pistolen und besprühten sie mit Pfefferspray.

Die Versicherungsprämien seien nach den ersten Überfällen stark gestiegen, der Selbstbehalt erhöht worden. «Wir haben dann die Versicherung gewechselt», so Maag. Doch die machte klar: Falls man innert fünf Jahren eine negative Schadensbilanz aufweise, der Wert des gestohlenen Schmucks also die einbezahlten Prämien übersteigt, kündigt die Versicherung die Police. «Das leuchtet mir nicht ein», so Maag, «denn ­eigentlich werden Versicherungsfälle ja solidarisch getragen.»

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