In dunklen Jeans, einem langärmligen schwarz-grauen Oberteil und mit braunen Timberland-Schuhen: So erscheint Richard Graf von F.* (51) in Handschellen vor dem Bezirksgericht Zürich (BLICK berichtete). Er wirkt ruhig, geradezu gelassen. Doch die schillernde Fassade des Adoptiv-Adligen aus dem bayrischen Oberviechtach (D), der seit 2008 in der Schweiz lebt, ist längst zerfallen. Über ein Jahr hat der Psychologe mittlerweile hinter Gittern verbracht – erst in U-Haft, dann in Sicherheitshaft.
Die Vorwürfe der Zürcher Staatsanwaltschaft sind happig. «Der Graf» wurde wegen mehrfacher versuchter Anstiftung zum Auftragsmord angeklagt. Zudem wurden ihm etliche weitere Delikte zur Last gelegt: unter anderem Drogenkonsum, mehrfache Verletzung des Berufsgeheimnisses und Widerhandlung gegen das Waffengesetz. Jetzt hat das Bezirksgericht Zürich den Grafen zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis und zehn Jahren Landesverweis verurteilt.
Drogen, Alkohol und Anstiftung zum Auftragsmord
Der tiefe Fall des deutschen Grafen hat im Herbst 2018 seinen Anfang genommen. Das Leben von Richard Graf von F., der damals als Psychologe und Verkehrsgutachter eine eigene Praxis im Aargau hat, gerät immer mehr aus den Fugen. Die Beziehung zu seiner damaligen Partnerin Samira B.* kriselt. Es kommt zum Bruch in der bis dahin so makellosen Biografie des zweifach promovierten Psychologen, der erst 2015 von einer deutschen Gräfin adoptiert wurde. Er schnupft Kokain, verfällt dem Alkohol, verkehrt in zwielichtigen Kreisen.
Der Aargauer Garagist Milo G.*, ein einstiger Patient des Psychologen, wird zu seinem engsten Vertrauten. Der öffnet sich ihm gegenüber, buhlt um seine Anerkennung, schickt ihm vertrauliche Gutachten von Patienten. Rückblickend gibt der Graf, der rund eine Million Franken in einem Bankschliessfach gebunkter hat, an, damals in einer Lebenskrise gesteckt zu haben. Irgendwann artet es aus.
Psychologe war «von Gewaltfantasien» berauscht
Der Graf schickt mehrfach verstörende Sprach- und Textnachrichten an Milo G., in denen er ihn als Auftragskiller anheuern will. Darin fordert er ihn auf, seine damalige Partnerin Samira B. «abzuknallen» und seine Ex-Frau, Tabea T.*, mit der er eine gemeinsame Tochter hat und die Unterhaltszahlungen über 30'000 Franken forderte, auch gleich noch umzubringen. Zum Schluss solle Milo G. dann auch den Grafen «killen». Für den Dreifach-Auftragsmord bietet der Psychologe dem Garagisten 300'000 Franken.
In den Augen des Gerichts besteht keine Zweifel an den Auftragsmord-Absichten. Doch der Graf wehrt sich vehement dagegen, obgleich er zugibt, die Nachrichten verfasst zu haben. «Ich wollte nie den Tod einer Person», sagt Richard Graf von F. Er räumt auch ein, sich in seiner damaligen Krisensituation «von Gewaltfantasien» berauschen lassen zu haben. Beim gutbetuchten Grafen sei damals eine Faszination für das kriminelle Milieu aufgekommen.
«Ich bin auch jetzt fasziniert von den Leuten im Gefängnis, die so ganz anders situiert sind wie ich», so der Graf. Doch dass der Garagist die Aussagen, die der Graf im Drogen- und Alkoholrausch gemacht hatte, für bare Münze nehmen würde, daran glaubte der Psychologe nie. Zumal er sich immer gleich wieder für «seine unsäglichen Nachrichten» entschuldigte. Die Nachrichten seien vielmehr ein Hilferuf gewesen, so der Graf.
«Ich war in einer Experimentierphase
In seiner Drogenzeit habe er rund 15 Mal gekokst, sagt der Graf. «Das müssen insgesamt so 12 Gramm Kokain gewesen sein», so der Angeklagte am Donnerstag vor Gericht, der als Psychologe schon über 100 wissenschaftliche Publikationen verfasst hat. «Ich war in einer Experimentierphase.»
Richard Graf von F. wollte aus seinem eintönigen Leben ausbrechen, plante, zusammen mit dem Garagisten ein gemeinsames Geschäft aufzuziehen. Er habe 350'000 Franken in das gemeinsame Projekt investiert. Doch Milo G. habe ihn betrogen. Der Graf wollte sein Geld zurück. Doch der Garagist sperrte sich dagegen, wie sein Verteidiger vor Gericht erklärt.
Adelstitel-Träger wandert in den Knast
Heute ist der Psychologe, der zuletzt rund 120'000 Franken jährlich verdient hat, überzeugt, sein einstiger Geschäftspartner habe ihn ausgetrickst. «Milo G. wollte mich reinreiten», so der Graf. Er habe ihn bei der Polizei angezeigt und ihn der versuchten Anstiftung zum Auftragsmord bezichtigt, um von sich selbst abzulenken.
Sein Anwalt verlangte einen Freispruch, die zuständige Staatsanwältin hingegen forderte 9 ¾ Jahre Haft und 15 Jahre Landesverweis. Das Gericht sprach Richard Graf von F. schliesslich wegen mehrfacher versuchter Anstiftung zu vorsätzlicher Tötung schuldig. Der Graf kassiert fünfeinhalb Jahre Freiheitsstrafe sowie einen Landesverweis von zehn Jahren. Zudem hat das Gericht die Sicherheitshaft bis Ende August verlängert.
*Namen bekannt