Die Wut der Zürcher Taxifahrer ist gross. «Wir leben am Existenzminimum, wissen nicht, wie wir unsere Kinder ernähren sollen», sagt Khaldoun Jamal (36), Sprecher der Taxisektion Zürich. «Solche Bussen bringen uns in existenzielle Schwierigkeiten.»
Gestern zogen die Taxifahrer spontan mit einem Hupkonzert durch die Zürcher Innenstadt – und liessen dutzende Kunden warten. Grund war eine Bussen-Welle der Zürcher Stadtpolizei: Sie büsste nach Angaben von Jamal bis zu 30 Taxifahrer für verschiedene kleinere Vergehen, etwa nichteinhalten von Ruhezeiten. Oder ein Fahrer, der auf der Suche nach einem freien Taxi-Standplatz am HB einige Runden herumkurvte, soll eine saftige Busse von 600 Franken kassiert haben.
Die Stadtpolizei konnte diese Vorgeschichte zwar bestätigen, aber «wir führten keine Grossaktion durch», sagt Mediensprecher Marco Bisa. «Einige Fahrer wurden im Rahmen von normalen Patroullientätigkeiten gebüsst.»
Strassenblockade am Hauptbahnhof
Die Taxifahrer stellten ihre Wagen auf die Strasse und blockierten gegen ein Uhr in der Nacht den Verkehr. Die Fahrer versammelten sich auf der Strasse, beschimpften gar einige Landtaxis, schreibt die Zürichsee Zeitung. Bevor ein richtiger Streit eskalieren konnte, griff die Polizei ein.
Die Stadtpolizei Zürich bestätigt, dass rund 30 bis 40 Taxis den Verkehr blockierten. «Es ging friedlich über die Bühne», sagt Mediensprecher Marco Bisa, «wir konnten mit den Taxifahrern sprechen, dann hat sich die Strassenblockade nach rund 20 Minuten aufgelöst.»
Die Wut rührt von tiefer her
Khaldoun Jamal versuchte gestern noch vergeblich, die aufgebrachten Taxifahrer zur Vernunft zu bringen, um nicht plan- und wirkunkslos zu demonstrieren. Denn die Taxisektion Zürich versucht, sich kantonal und national so zu vernetzen, dass sie mit ihren Anliegen auch politische Wirkung erzielt. «Aber die Fahrer waren so wütend, dass sie mir sagten, sie wollten jetzt mal ein Zeichen setzen - ob ich mitmache, oder nicht.»
Das Problem der Zürcher Taxifahrer ist noch viel tiefschichtiger. Schon jahrelang tobt der Streit zwischen Fahrern, Stadt, Polizei, Taxizentralen und Landtaxis. Die folgenden Punkte beschäftigen alle Beteiligten über Jahre hinweg.
Problem Nr. 1: Zuviele Taxikonzessionen
Aktuell haben rund 1600 Fahrer allein in der City eine solche eingelöst. Zuviele, sagen die Taxifahrer, die Konkurrenz sei einfach zu gross, weswegen sie wochentags auch viel zu lange auf Kunden warten müssten und dabei natürlich kein Geld verdienen.
Die Zürcher Taxisektion fordert schon lange, dass die Stadt die Anzahl Konzessionen begrenzt. Dagegen kämpft die Taxi-Kommission, eine politisch vernetzte Arbeitsgruppe, in der vorwiegend Vertreter der Taxi-Zentralen sitzen. Denn die Zentralen kassieren von jedem angemeldeten Fahrer 1000 Franken pro Monat für die telefonische Vermittlung von Kunden an die Fahrer. Die Täxeler sind allerdings nicht verpflichtet, sich einer Taxizentrale anzuschliessen – eine Mehrheit der Fahrer tun es trotzdem.
Problem Nr. 2: Der Hauptbahnhof
Auf 1600 eingelöste Taxis kommen gerade Mal 245 Standplätze (Stand Februar 2015). Nachts werden 85 weitere Plätze temporär geschaffen. Das grosse Problem ist aber der Zürcher HB, dort herrschte lange ein Verkehrschaos wegen wartenden Taxis, die zuhinterst in der Schlange den Velostreifen versperrten. Die Polizei büsste rigoros. Zudem wurde der Mittelstreifen Anfang Juli aufgehoben. Dort konnten vorher viele Taxis warten. Rund 20 Warteplätze gingen mit der Aktion vom Sommer verloren. Die Taxifahrer waren total aufgebracht. «Die Stadt will uns kaputt machen», klagten sie im Blick am Abend.
Die Taxisektion wünscht sich schon lange viel mehr Standplätze – nämlich einen auf drei Taxis. Zudem solle die Polizei etwas mehr Rücksicht zeigen beim Verteilen von Bussen am HB.
Problem Nr. 3: Landtaxis
Wer in einer Zürcher Agglomerationsgemeinde ein Taxi einlöst, darf zwar Kunden nach Zürich befördern und auch möglichst mit einem Kunden wieder zurück in die Agglo fahren, nicht aber stundenlang auf dem Stadtgebiet herumkurven, um Kunden aufzuladen – das ist den Stadtzürchern Taxis vorbehalten, die für ihre Konzession immerhin 920 Franken pro Jahr bezahlen. Doch genau das tun die Landtaxis vorwiegend am Wochenende, wenn der grosse Umsatz lockt.
Die Zürcher Taxisektion verlangt von der Polizei strengere Kontrollen. «Die Polizei antwortete mir kürzlich, dass ihre Beamten leider die Landtaxis nicht erkennen würden. Und für systematische Kontrollen fehlten ihr das Personal», sagt Jamal. Das hält er für einen schlechten Scherz: «Ich muss mich auch an meine Pflichten halten und mich kontrollieren lassen, während meine Rechte nicht gewahrt werden.» Zudem seien die Stadttaxis an ihren blau-weissen Leuchten inkl. Konzessionsnummer auf dem Dach ganz einfach zu erkennen, während die Landtaxis gelbe Leuchten tragen.
Problem Nr. 4: Uber
Seit drei Monaten bietet das US-App «Uber» den Dienst «Uber pop» an. Das Problem: Bei den Fahrern handelt es sich meist um Private: Sie haben keine Taxiprüfung, keinen Taxometer und zeichnen erst recht keine Ruhezeiten auf, die für Taxifahrer sonst verbindlich sind. Eigentlich dürfen diese Fahrer ausschliesslich nicht-gewerbliche Fahrten durchführen, das heisst, maximal eine Fahrt in 16 Tagen. «Doch daran hält sich keiner», ist sich Jamal sicher. «Ich kenne solche, die 24 Stunden am Stück Kunden transportiert haben.»
Die Taxisektion Zürich fordert, dass Uber pop entweder ganz verboten wird oder die Polizei die Fahrer so streng wie möglich kontrolliert – was fast nicht möglich ist, da es sich um Privatautos handelt. Durch Uber werden die Preise massiv gedrückt. So kostet ein Kilometer mit Uber pop bloss einen Franken, während bei den Zürcher Taxifahrern der Minimaltarif von 3.80 pro Kilometern und eine Grundtaxe von 6 bis 8 Franken gilt. Die Taxisektion Zürich verlangt, dass das der Binnenmarkt von diesen Dumpingpreisen geschützt wird. «Wir sind am verhungern», sagt Jamal. «Wir jammern nicht nur, die Lage ist dramatisch.» Seit einigen Monaten sei bei den Fahrern der Umsatz um bis zu 60 Prozent eingebrochen – nicht nur in Zürich.