Das Bezirksgericht Zürich hat am Donnerstag drei Personen der unterlassenen Nothilfe schuldig gesprochen. Das Trio hatte einer vierten Person nicht geholfen, nachdem diese aus einem Fenster gestürzt war.
Der Einzelrichter verurteilte die drei Beschuldigten zu je einer bedingten Geldstrafe von 100 Tagessätzen zu 30 Franken. Davon abgezogen werden jeweils die 76 Tage, an denen die drei in Untersuchungshaft sassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Verwirrung um verhaftete Männer
Es war ein Verfahren, in dem manches anders war, als es zu Beginn schien. Klar ist: In der Nacht zum 2. Juni 2019 feierten vier Personen in einer Wohnung im Langstrassenquartier, sie tranken Alkohol und konsumierten Kokain und Cannabis.
Kurz vor Mitternacht stürzte eine Person aus einem offenen Fenster 9,5 Meter tief auf den Asphaltboden und blieb verletzt liegen. Statt Hilfe zu leisten oder zu organisieren, liefen die anderen drei weg.
In der damaligen Polizeimeldung war die Rede von einem Mann, der aus dem Fenster gestürzt war, und von zwei Männern und einer Frau, die davongelaufen waren. Später stellte sich heraus, dass es sich um drei Frauen und einen Mann handelte: Die Verunfallte sowie einer der davongelaufenen Männer sind Trans-Frauen. Drei sind aus Brasilien, eine ist brasilianisch-italienische Doppelbürgerin.
Auch der Tatvorwurf änderte im Laufe des Verfahrens. Zu Beginn ging die Staatsanwaltschaft von einer versuchten Tötung aus. Die Gestürzte hatte angegeben, sie sei gestossen worden. Dies stellte sich als falsch heraus - ein separates Verfahren wegen falscher Anschuldigung ist hängig.
Geforderte Genugtuung wurde abgelehnt
Was blieb, war die Anklage wegen unterlassener Nothilfe. Statt die Rettungskräfte zu rufen, machten sich das Trio davon. Die geforderte Genugtuung lehnte das Gericht allerdings ab. Weil der Unfall in einem belebten Quartier geschah, sei dennoch rasch Hilfe zu Stelle gewesen, sagte der Richter.
Die drei Verteidiger forderten erfolglos Freisprüche. Sie machten unter anderem geltend, ihre Mandanten seien unter Schock gestanden und sprächen auch kaum Deutsch. Zudem seien ihre ersten Aussagen nicht zu verwerten, da es damals um die schwere Anschuldigung der versuchten Tötung und nicht um die spätere Anklage wegen unterlassener Nothilfe ging.
Diesen Einwand wies der Einzelrichter ab. Alle drei hätten gewusst, «um welche Tatumstände es ging», und dass ihre Rollen bei dem Vorfall geklärt werden müssten. Im Laufe des Verfahrens sei es aufgrund neuer Erkenntnisse nicht mehr um ein Tötungsdelikt, sondern um eine andere, weniger schwere Straftat gegangen.
Sie bewegten sich alle in einem Milieu
Beim Strafmass habe das Gericht berücksichtigt, dass die Beschuldigten sich «in einem Milieu bewegten», in dem man nicht gern mit der Polizei zu tun habe. Dies namentlich, nachdem sie vor dem Vorfall gemeinsam nicht nur Alkohol, sondern auch Kokain und Cannabis konsumiert hätten.
Es sei aber nicht nachvollziehbar, und es gebe keine Rechtfertigung dafür, dass sie ihre Bekannte verletzt hätten liegen lassen. Sie seien in der Lage gewesen, sofort Kolleginnen anzurufen. Da wären sie auch in der Lage gewesen, die Rettungskräfte anzurufen, sagte der Richter. (SDA)
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