Als das Urteil am Zürcher Obergericht fällt, wird Katja Faber (56) schwarz vor Augen. Es ist der 27. November – kurz nach 15.15 Uhr. Der Richter hat soeben den Killer ihres Sohnes für unzurechnungsfähig erklärt. Eigentlich sollte Bennet S.* (34) für zwölfeinhalb Jahre im Knast schmoren. Doch der Deutsche ging in Berufung – mit Erfolg. Jetzt muss der Galeristensohn nur noch seine Drogensucht behandeln lassen. Dann ist er ein freier Mann. Die Gefängnisstrafe ist Geschichte. Bis er einen Therapieplatz bekommt, bleibt er allerdings in Sicherheitshaft.
Katja Faber kann nicht glauben, was sie da mit anhören muss. Während das Urteil im Hauptsaal verkündet wird, sitzt sie im Nebenraum und starrt fassungslos auf die Leinwand. Unzurechnungsfähigkeit? Wegen Drogen? «Der Tod meines Sohnes ist doch kein Kollateralschaden eines Süchtigen, eine kaputte Fensterscheibe oder Tür, die man reparieren kann. Mein Alex wurde brutal getötet. Doch das ist für das Gericht scheinbar nicht wichtig. Sein Leben hat offenbar keinen Wert», sagt sie geschockt zu BLICK.
Der Verlust des Sohnes lässt sie nicht los
Plötzlich ist er zurück: dieser unglaubliche Schmerz. Die Erinnerung an den furchtbaren Tod von Alex Faber Morgan (†23). Der Verlust nagt an ihr, zermürbt sie. Tag für Tag. «Ich war nicht bei ihm, um ihn zu schützen. Ich konnte ihn nicht halten, während er starb. Und auch nicht als er tot war. Ich durfte ihn nicht sehen, so schrecklich war sein Kopf zugerichtet», sagt die Zürcherin.
Wenn sie daran denkt, wie er gestorben ist, schnürt es ihr die Kehle zu. Bennet S. hatte am 30. Dezember 2014 mit einem Kerzenständer auf Alex eingeschlagen, ihm danach eine Kerze in den Hals gerammt und ihn erwürgt.
Der Galeristensohn war während der Tat auf Kokain und Ketamin. Dadurch habe er Wahnvorstellungen bekommen, wie er vor Gericht behauptete. Er sah nicht mehr seinen Kollegen Alex, sondern einen Alien mit grünem Gesicht und langen Ohren.
Gewaltexzess in Goldküsten-Villa
Folge: Bennet S. schlug zu – erbarmungslos. «Der Alien-Geschichte wurde beim ersten Prozess keinen Glauben geschenkt. Beim Zürcher Obergericht allerdings schon», so Faber. Dadurch sei es zu dem milden Urteil gekommen. Dabei tickte er nicht zum ersten Mal auf Drogen aus. «Er wusste doch, wie er zugedröhnt reagiert. Und da soll er nicht verantwortlich sein?»
Die Mutter gibt nicht auf. Sie will Gerechtigkeit. Der Killer ihres Sohnes darf sich nicht weiter hinter Drogen verstecken können. Er soll endlich Verantwortung für seine Horrortat übernehmen. Und: «Endlich dazu stehen, dass er mir meinen Alex genommen hat.»
Die Mutter plant eine Volksinitiative
Dafür will sie das Gesetz ändern – mit einer Volksinitiative. «Damit soll verhindert werden, dass Täter, die unter Drogeneinfluss Verbrechen begehen, mit mildernden Umständen davonkommen. Am Ende sind nicht die Drogen schuld, sondern der Mensch.»
Das gleiche Ziel verfolgte eine Motion aus dem Jahr 2015 – eingereicht von Andrea Geissbühler (SVP). Die Forderung: keine Strafmilderung für berauschte Täter. Doch der Vorstoss wurde 2017 abgelehnt. Begründung: «Jemanden zu bestrafen, dem kein Schuldvorwurf gemacht werden kann, ist ungerecht und sinnlos.»
Urteil der Mutter: Schuldunfähigkeit zu oft ein Faktor
Ebenso ungerecht ist aber auch, wenn die Täter ungestraft davonkommen, findet Katja Faber. Das zeige nicht nur der Goldküsten-Prozess, sondern aktuell auch der Fall der getöteten Hildegard Enz Rivola (†66). Ihr Killer Davor J.* (28) nahm Kokain und Marihuana, trank Alkohol – und gilt als schuldunfähig.
Welche Strafe Bennet S. letztendlich bekommt, ist für Katja Faber nicht entscheidend. Wichtiger für sie ist, dass sie kämpft. «Ich bin noch immer die Mutter von Alex, auch wenn er tot ist. Sein Tod war kein Unfall eines kranken Drogensüchtigen. Für ihn und andere Opfer und Familien werde ich versuchen, das Gesetz zu ändern.»
* Namen geändert
Katja Faber ist nicht die erste Betroffene einer Straftat, die politisch aktiv wird. In den letzten Jahren kamen mehrere Initiativen aus Bürgerbewegungen vors Volk – teils mit Erfolg, wie folgende drei Beispiele zeigen.
Verwahrungs-Initiative
Täter, die immer wieder zuschlagen und eine Gefahr für die Gesellschaft sind, sollten für immer weggesperrt werden. Dafür kämpften Doris Vetsch und ihre Schwester Anita Chaaban. Sie lancierten ihre Verwahrungs-Initiative. Grund dafür: Die Tochter von Vetsch fiel einem vorbestraften Kinderschänder in die Hände. Er verging sich an der damals 13-Jährigen, tötete sie fast. Das dürfte nie wieder passieren. Unbelehrbare Straftäter sollten ihr Leben lang verwahrt werden. Vetsch und Chaaban sammelten 194'000 Unterschriften. 2004 wurde abgestimmt – mit Erfolg. Das Volk sagte Ja zur Initiative.
Raser-Initiative
Der Tod von Lorena W.* (†21) löste vor elf Jahren die Debatte um härtere Strafen für Temposünder aus. Nekti T.* (damals 18) lieferte sich mit Kollegen ein illegales Autorennen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das Opfer: die junge KV-Angestellte. Nicht der erste Raser-Unfall mit tödlichen Folgen. Es musste was passieren. Hinterbliebene riefen gemeinsam mit der Stiftung Roadcross die eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Rasern» ins Leben. Mehr als 100'000 Unterschriften wurden gesammelt und eingereicht. Am Ende wurde die Initiative zurückgezogen. Die Politik war schon dabei, verschärfte Massnahmen für Raser zu verabschieden. Sie traten 2013 in Kraft.
Pädophilen-Initiative
Kindergärtner, Lehrer, Trainer in Sportvereinen: Berufe, bei denen Erwachsene eng mit Kindern zusammenarbeiten – umso wichtiger, dass dort keine Kinderschänder arbeiten. Genau darum ging es in der Pädophilen-Initiative, lanciert vom Verein Marche Blanche. Ihr Ziel: Verurteilte Pädophile sollten nie mehr mit Kindern arbeiten dürfen. Und zwar ihr Leben lang. Der Vorschlag wurde heftig diskutiert. Besonders, weil das Verbot absolut gelten sollte – unabhängig von der Schwere des Sexualdelikts und ohne richterliche Prüfung des Einzelfalls. Am Ende wurde die Initiative entschärft und 2014 schliesslich angenommen. Johannes Hillig
Katja Faber ist nicht die erste Betroffene einer Straftat, die politisch aktiv wird. In den letzten Jahren kamen mehrere Initiativen aus Bürgerbewegungen vors Volk – teils mit Erfolg, wie folgende drei Beispiele zeigen.
Verwahrungs-Initiative
Täter, die immer wieder zuschlagen und eine Gefahr für die Gesellschaft sind, sollten für immer weggesperrt werden. Dafür kämpften Doris Vetsch und ihre Schwester Anita Chaaban. Sie lancierten ihre Verwahrungs-Initiative. Grund dafür: Die Tochter von Vetsch fiel einem vorbestraften Kinderschänder in die Hände. Er verging sich an der damals 13-Jährigen, tötete sie fast. Das dürfte nie wieder passieren. Unbelehrbare Straftäter sollten ihr Leben lang verwahrt werden. Vetsch und Chaaban sammelten 194'000 Unterschriften. 2004 wurde abgestimmt – mit Erfolg. Das Volk sagte Ja zur Initiative.
Raser-Initiative
Der Tod von Lorena W.* (†21) löste vor elf Jahren die Debatte um härtere Strafen für Temposünder aus. Nekti T.* (damals 18) lieferte sich mit Kollegen ein illegales Autorennen. Ohne Rücksicht auf Verluste. Das Opfer: die junge KV-Angestellte. Nicht der erste Raser-Unfall mit tödlichen Folgen. Es musste was passieren. Hinterbliebene riefen gemeinsam mit der Stiftung Roadcross die eidgenössische Volksinitiative «Schutz vor Rasern» ins Leben. Mehr als 100'000 Unterschriften wurden gesammelt und eingereicht. Am Ende wurde die Initiative zurückgezogen. Die Politik war schon dabei, verschärfte Massnahmen für Raser zu verabschieden. Sie traten 2013 in Kraft.
Pädophilen-Initiative
Kindergärtner, Lehrer, Trainer in Sportvereinen: Berufe, bei denen Erwachsene eng mit Kindern zusammenarbeiten – umso wichtiger, dass dort keine Kinderschänder arbeiten. Genau darum ging es in der Pädophilen-Initiative, lanciert vom Verein Marche Blanche. Ihr Ziel: Verurteilte Pädophile sollten nie mehr mit Kindern arbeiten dürfen. Und zwar ihr Leben lang. Der Vorschlag wurde heftig diskutiert. Besonders, weil das Verbot absolut gelten sollte – unabhängig von der Schwere des Sexualdelikts und ohne richterliche Prüfung des Einzelfalls. Am Ende wurde die Initiative entschärft und 2014 schliesslich angenommen. Johannes Hillig