Motorsägen-Mann Franz W. ist kein Einzelfall. Auch Augustin und Raimonda Huonder wohnen in der Wildnis
«Wir sind Waldmenschen – holt uns hier raus!»

Augustin Huonder (54) und seine Frau Raimonda (38) sind Aussteiger. Seit sieben Wochen leben sie im Wald. Ein harter Alltag für das Paar.
Publiziert: 26.08.2017 um 16:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 09:05 Uhr
Lea Gnos und Marijana Zeko

Ein Leben als Aussteiger, fernab der Zivilisation im tiefen Wald. Eine Vorstellung, die viele Menschen fasziniert. Doch nur wenige setzen es in die Tat um. Sei es aus Angst oder aus Vernunft. Der Schaffhauser Kettensäge-Angreifer Franz W.* (51) ist das jüngste Beispiel eines Waldmenschen, der schweizweit bekannt wurde. Vor seiner Amok-Tat hauste er mehrere Wochen an einer Lichtung in Uhwiesen ZH. Der Aussteiger ist kein Einzelfall, BLICK traf im Bündner Oberland bei Schluein ein Wald-Ehepaar.

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Kein Strom oder fliessendes Wasser. Der dritte Baum links ist die Toilette. Augustin Huonder (54) lebt mit seiner Frau Raimonda (38) seit sieben Wochen im Wald bei Schluein GR. «Das ist unsere Küche», sagt er und zeigt auf die Feuerstelle. Zum Zmittag gibt es heute Cervelats. Doch die Idylle trügt. Die Gründe für das Waldleben sind beim Paar nicht spiritueller, sondern finanzieller Natur. «Wir sind hier, weil wir einfach keine Wohnung finden. Es ist hart», sagt der gelernte Chauffeur. 

Im früheren Leben betrieb das Paar ein Restaurant – und sogar eine Garage

Zuvor führte das Paar ein Restaurant, ein Billard-Center und sogar eine Autogarage. «Leider funktionierte nichts davon. Wir haben uns deshalb verschuldet.» 

Die Kinder der beiden (12 und 14) sind bei ihrem Götti untergebracht. «Sie kommen aber ab und zu auf Besuch, für sie ist das Waldleben ein Abenteuer», sagt Huonder. Auch Wachhund Rocky (2) geniesst es in vollen Zügen. 

Es geht ein kühler Wind, vor allem nachts. Das Paar übernachtet in einem alten Bienenhäuschen, das einem Freund gehört. «Auch sonst unterstützen uns Freunde, sie lassen uns bei sich zu Hause duschen oder bringen mal Lebensmittel», sagt Raimonda Huonder. Briefe und Pakete würden sie direkt bei der Post abholen, wo sie aufbewahrt werden. 

Bis vor kurzem hatte Augustin Huonder nur noch zehn Franken im Sack und fünf Franken auf seiner Prepaid-Handy-Karte: «Zum Glück konnte ich vor ein paar Tagen bei einem Freund auf dem Bauernhof arbeiten, jetzt können wir uns wieder etwas zu essen kaufen.» 

Das Leben im Wald wird geduldet – aber die Polizei war schon da

Das Leben im Wald ist illegal (s. Box). «Die Polizei war auch schon hier, weil jemand Anzeige erstattet hat. Doch die Beamten liessen uns in Ruhe», sagt seine Frau.

Allzu lange möchte das Paar nicht mehr bleiben. Augustin Huonder sagt, ihm gefalle das Waldleben nicht auf Dauer. Die ständige Feuchtigkeit ermattet, auch fehlt ein geregelter Tagesablauf. Das Kochen mit dem Grill dauere oft Stunden: «Mit Campen hat das nichts zu tun!» Am liebsten würde er in die Stille schreien: «Holt uns hier raus!»

Die Zeit vertreibt sich das Paar auch mit Stellen- und Wohnungssuche. Falls nichts dabei herauskommen sollte, bleibt für die Überlebenskünstler noch der Traum von der grossen Freiheit. Die Augen von Augustus Huonder leuchten: «Mit einem Wohnmobil losfahren und alles hinter uns lassen, das wäre toll!»

Die Gemeinde Schluein GR wollte sich nicht zum Paar äussern. Im Normalfall stellen Gemeinden aber Sozialwohnungen zur Verfügung. Die Huonders sagen, sie würden sich von den Behörden keine Unterstützung erhoffen. Sie wollen es alleine schaffen, einen letzten neuen Anlauf nehmen

 *Name der Redaktion bekannt

Der Wald ist kein Wohngebiet 

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