Trotz mässig warmen Temperaturen ist auf der Chinawiese am Zürichsee am Mittwochabend viel los. Es ist 19 Uhr. Familien haben sich mit ihren Decken ausgebreitet, Einkaufstüten mit Esswaren mitgebracht. Daneben sitzen Jugendliche mit Einweg-Grills, beschallen ihre Umgebung mit lauter Musik.
Der Wind bläst zwei Plastiksäcke über die Wiese. Vorbei an einer Familie, die picknickt, vorbei an zwei Jungs, die Fussball spielen. Die Säcke stammen von einer sechsköpfigen Gruppe von Jugendlichen, die gegessen hat.
Sie gehen von der Wiese – doch ihren Müll lassen sie zurück: Cervelat-Packungen, Brotsäcke, Bierdosen. «Wir wissen schon, dass man den Müll wegräumen sollte. Aber das tut sowieso niemand», sagt einer der Gruppe.
«Das ist eine Sauerei, aber nicht unsere»
Recht hat er wohl: Bereits kurz nach 20 Uhr liegen herrenlose Grills, Flaschen, Dosen und Verpackungen über die ganze Wiese verteilt.
«Das ist eine Sauerei», sagt ein junger Mann einer anderen Gruppe, die gerade selbst ihren Plastikmüll und einen Einweg-Grill zurückgelassen hat. Er redet sich raus, behauptet: «Das ist nicht unser Dreck. Das waren unsere Kollegen, wir haben ja nur neben ihnen gesessen. Ich kann also nichts dafür.»
Nichts dafür kann auch der Mann in der orange leuchtenden Uniform, der den Güsel nun mit einer Zange einsammelt. Denn benutzten Einweg-Grill lässt er liegen, «zum Abkühlen».
Sieben Stunden, bis die Wiese wieder sauber ist
Mindestens dreimal am Tag sei er hier, zusammen mit einem Kollegen. Er wechsle die Müllsäcke und sammle die Hinterlassenschaften ein. «Am Wochenende dauert es manchmal von fünf Uhr morgens bis um die Mittagszeit», erzählt er. «Anstrengend ist das, aber heute geht es noch», sagt er.
Die Stadt Zürich beschäftigt während dem ganzen Jahr insgesamt 150 solcher Mitarbeiter, die Strassen, Trottoirs und Parks sauber halten. Im Sommer erhielten sie noch zusätzliche Unterstützung von Arbeitern aus Drittfirmen, sagt ERZ-Sprecher Daniel Eberhard zu BLICK.
Zudem stelle man zwischen April und Oktober bis zu 60 zusätzliche Mülltonnen auf. Auch auf der Chinawiese am Seeufer stehen mehrere solche Container – der Weg zum nächsten Kübel ist nie länger als 25 Meter.
«Es ist unsere Verantwortung, dass die Wiese sauber bleibt»
Doch ist das nur vergebliche Mühe? Am Mittwochabend befindet sich im Gegensatz zur Wiese nämlich kaum Müll in der Tonne. Streiken und die Litterer in ihrem Güsel sitzen lassen, hat die Stadt aber nicht im Sinn. «Die Kollektivstrafe träfe die Falschen. Wenn Leute nachts ein Gelage veranstalten, dann schlafen die am nächsten Tag aus, den Dreck erdulden dann die anderen», so Eberhard.
Dass es auch anders geht, beweist ein 32-jähriger Afghane, der seinen Müll vorbildlich in den Kübel schmeisst: «Es ist unsere Verantwortung, dass Zürich sauber bleibt», sagt er. «Man will, dass die Wiese schön ist, also nimmt man seinen Dreck mit. So einfach ist das.»
Mittlerweile ist es 22 Uhr. Die Wiese ist leer. Letzter Einsatz für den Müll-Sammler. Er sammelt nun noch den Grill ein, den die Jungs vorher liegen gelassen haben. Die Wiese ist wieder sauber. Zumindest für ein paar Stunden.