Der 56-Jährige, der bis 2023 bei der Zürcher Staatsanwaltschaft arbeitete, hatte sonst eher mit schweren Gewaltverbrechen zu tun, etwa mit dem «Seefeld-Mord». Das Schweizer Fernsehen SRF porträtierte ihn zudem für die Serie «Die Staatsanwälte».
Im Jahr 2019 landete jedoch der Streit eines Ehepaars auf seinem Pult, weil beide vorbestraft waren. Sie deckten sich gegenseitig mit Strafanzeigen ein, wobei sich der Streit meist um die minderjährige Tochter drehte.
Standpauke des Staatsanwalts
Kurz vor Weihnachten wollte der Staatsanwalt mit einem Kontakt- und Rayonverbot verhindern, dass sich die beiden über die Feiertage angreifen und die Polizei ausrücken muss. Das Gespräch begann er gemäss Anklageschrift jedoch nicht mit der üblichen Rechtsbelehrung, sondern mit einer Standpauke.
Er habe auf die Aktenberge gewiesen und gesagt, dass dies eigentlich das Ausmass eines schweren Verbrechens annehme. Hier sei er aber mit Sachen konfrontiert, bei denen es zugehe «wie im Kindergarten».
So etwas könne man keinem Kind zumuten. «Sie sind erwachsen. Hören Sie auf damit», soll er gesagt haben. Und er dürfe das laut sagen, weil er «heute so gestimmt» sei. «Bei dieser Staatsanwaltschaft geht es um schwere Gewaltverbrechen und hier gehören Sie Gottfriedstutz nicht hin», sagte er. «Regeln Sie das woanders.»
«Grob beleidigt»
Im Anschluss an die Standpauke geriet sich der Staatsanwalt mit dem Anwalt der Frau in die Haare. Dies gipfelte darin, dass der Staatsanwalt den Anwalt vor die Tür stellte - und ihm auch noch eine Ordnungsbusse aufbrummte. Der Anwalt gab später an, dass er vom Staatsanwalt «grob beleidigt» worden sei.
Anschliessend soll der Beschuldigte die Befragung ohne den herausgestellten Anwalt weitergeführt haben. Die Frau habe verunsichert gefragt, ob sie nicht Anrecht auf einen Anwalt habe. Dies habe der Staatsanwalt aber verneint. Dies sei nur bei schweren Gewaltdelikten der Fall, hier sei das nicht notwendig.
Wegen Amtsmissbrauch angeklagt
Er verhängte für die Frau ein Kontakt- und Rayonverbot und bezeichnete dieses als «Warnblätz», also als Warnung. Nachher sei er zu nichts mehr bereit und würde sie sonst «reinnehmen», sprich verhaften. Für die Anklage ist dies eine Drohung, die allerdings im Nachhinein aus dem Protokoll gestrichen worden sei.
Gemäss Anklageschrift hat der Staatsanwalt die Frau eingeschüchtert und unter Druck gesetzt. Er sei deshalb wegen Amtsmissbrauch, Urkundenfälschung im Amt und Verletzung des Amtsgeheimnisses zu verurteilen. Letzteres deshalb, weil er mit lauter Stimme gegenüber Dritten von diesem Gespräch erzählt habe.
Der Ankläger fordert für seinen ehemaligen Berufskollegen deshalb eine bedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu 120 Franken, dazu eine Busse von 500 Franken. Die Staatsanwaltschaft als ehemalige Arbeitgeberin wollte sich auf Anfrage nicht weiter äussern. (SDA)