Die Gemeinde Seegräben ZH kämpft seit Wochen mit einem Flüchtlings-Problem. Sie müssen Asylsuchende unterbringen, wissen aber nicht, wo. Jetzt kommt es zum Eklat: Die Gemeinde schmeisst einen Mieter aus seiner 5.5-Zimmerwohnung, um Platz für Flüchtlinge zu schaffen. Das Schreiben liegt Blick vor. Die Gemeinde bestätigt gegenüber Blick den Sachverhalt. Per 31. Mai 2023 muss André Steiner (47) die Wohnung, die der Gemeinde gehört, räumen.
«Ich war schockiert», sagt Steiner zu Blick. «Ich hätte mit allem gerechnet, aber nicht, dass sie Asylsuchende hier einquartieren. Ich dachte eher an eine Tagesschule.» Seit 2007 wohnt der Schreiner in der 5,5-Zimmerwohnung. Zunächst noch mit seiner Familie. Nach der Scheidung habe er noch zusammen mit einem Mitbewohner gelebt. Aktuell lebt der Tierfreund mit seinen Katzen Mia (9) und Snowball (12) sowie eine Schildkröte. Die beiden Kinder von Steiner wuchsen auch in der Wohnung auf und sind auch heute noch regelmässig beim Vater. «Beide haben je ein Kinderzimmer im Haus.»
«Das Haus war ein Sechser im Lotto»
Steiner hat jetzt drei Monate Zeit für seinen Umzug. «Es gibt viel Arbeit», sagt er. «Ich habe hier ein ganzes Haus, einen Garten, Keller und Estrich.» Wütend sei er jedoch weder auf die Gemeinde noch auf die Flüchtlinge. «Ich habe das akzeptiert.» Die Gemeinde habe ihm zudem angeboten, ihm bei der Suche nach einem neuen Zuhause zu helfen. «Und allenfalls könnte ich sogar noch zwei weitere Monate, die ich hier länger bleiben darf, raushandeln.»
Ob er in Seegräben bleiben wird, ist noch unklar. «Wichtig ist etwas Bezahlbares und wo meine zwei Büsis und Schildkröten raus können», sagt der Mann. Für seine aktuelle Wohnung zahlt er mit Nebenkosten rund 2000 Franken im Monat. «Das war ein absoluter Sechser im Lotto für mich», schwärmt er. «Ich werde das Haus sehr vermissen.»
Knappes Wohnungsangebot ist schuld
Gemeindepräsident Marco Pezzatti (53) erklärt die Situation gegenüber Blick: «Wir haben alles versucht, um die Flüchtlinge anderweitig unterzubringen. In den letzten Wochen haben wir verschiedene Anzeigen publiziert und uns um jede ausgeschriebene Wohnung bemüht. Leider hatten wir keinen Erfolg.»
Daran schuld sei das knappe Wohnungsangebot in der Region. Deshalb muss der Mieter, der vorgängig in einem persönlichen Gespräch darüber informiert wurde, aus der Wohnung. Je früher, desto besser: «Sollten Sie vor Ablauf der Kündigungsfrist eine neue Wohnung finden, so können Sie das Mietverhältnis bereits früher auf jedes Monatsende beenden.» So steht es im Schreiben an den Betroffenen.
Unterkunft für fünf Personen
Pezzatti hat vom Bund klare Vorschriften erhalten. «Wir müssen eine gewisse Anzahl an Flüchtlinge in unserer Gemeinde unterbringen. Bei der gegenwärtigen Quote von 0,9 Prozent sind das in Seegräben 14 Personen. Gegenwärtig haben wir aber nur neun Asylsuchende platziert. Das stellt uns vor grosse Probleme.»
Der Mieter-Rauswurf sei die Lösung. «Die Wohnung ist gross und gehört der Gemeinde – sie bietet Platz für 4-5 Personen. Deshalb haben wir uns nach langen Überlegungen zu diesem Schritt entschieden. In die Wohnung wird eine Flüchtlings-Familie ziehen. Die Herkunft der Asylsuchenden kennen wir noch nicht.»
Ähnlicher Fall in Lörrach
Seegräben ist kein Einzelfall. Vor wenigen Tagen geschah Ähnliches in Lörrach (D). Auch dort erhielten 40 Mieter ein Schreiben, dass sie ihre Wohnungen für Flüchtlinge räumen müssen. Rund 100 Menschen sollen untergebracht werden, wie die Stadt auf ihrer Website verlauten lässt.
Im Brief steht: «Wie Sie wissen, hat Deutschland einen erheblichen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine und anderen Weltregionen zu verzeichnen.» Auch die Stadt Lörrach wolle helfen. Weshalb die Stadt zu radikalen Massnahmen greift. «Für Sie bedeutet das, dass wir in Kürze das mit Ihnen vereinbarte Mietverhältnis kündigen werden.» In den Wohnungen sollen Flüchtlinge untergebracht werden. «Geplant ist, dass etwa bis zum Jahresende die gesamte Anlage als Flüchtlingsheim genutzt werden kann.»