Kirchenangestellte Beatrice E. litt Höllenqualen
«Der Priester hat mich gemobbt»

Beatrice E. aus Glarus ist eines von einem Dutzend Opfern des Mobbing-Priesters G. Eine aktuelle Umfrage zeigt: Viele Kirchenmitarbeiterinnen werden von Priestern beschimpft, beleidigt und willkürlich behandelt.
Publiziert: 29.05.2016 um 20:47 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 20:29 Uhr
Beatrice E. benötigte psychiatrische Hilfe. Jetzt ist ihre Stelle ausgeschrieben.
Foto: Valeriano Di Domenico
Beatrice E. benötigte psychiatrische Hilfe. Jetzt ist ihre Stelle ausgeschrieben.
Foto: Valeriano Di Domenico
Cyrill Pinto

Seit zwei Jahren amtet der katholische Pfarradministrator K. G.* (50) im Kanton Glarus. In seiner Kirchgemeinde hat der Pole viele Anhänger: Sie schätzen seinen Charme, sein freundliches Wesen. Doch Untergebenen zeigt G. mitunter ein anderes Gesicht.

Die Glarnerin Beatrice E.* (42) musste dies schmerzlich erfahren. Seit August 2015 ist sie als kaufmännische Angestellte für die katholische Kirche tätig. Anfänglich erschien ihr alles wunderbar: «Die Arbeit war gut und auch Pfarrer G. war sehr freundlich.»

Priester G. hatte bereits im Kanton Zürich Probleme mit Mitarbeitern.
Foto: ZVG
Priester G. hatte bereits im Kanton Zürich Probleme mit Mitarbeitern.
Foto: ZVG

Doch dann kippt die Stimmung: G. meidet sie. Aufgaben, die zu ihrem Profil gehören, teilt er Freiwilligen zu. So soll eine über 80-Jährige im Trauernotfall das Telefon abnehmen.

Offenes Mobbing nach Aussprache

Eine Aussprache zwischen E., dem Pfarrer, einer Katechetin und Vertretern des Kirchenrates macht alles noch schlimmer. Nun mobbt G. sie offen. «Er grüsste nicht mehr, kritisierte meine Arbeit.» Zur Veröffentlichung im Gemeindeblatt gibt er ihr mündlich falsche Andachts-Termine durch. «Er sabotierte mich – es war pures Mobbing», sagt Beatrice E. im Gespräch mit SonntagsBlick.

Auch eine erneute Aussprache mit dem Kirchgemeinderat Anfang April bringt keine Lösung. Der Rat hält zu seinem Pfarrer. Für E. wird die Situation so belastend, dass sie Ende April kündigt. Kurz darauf erleidet sie einen Zusammenbruch, begibt sich in psychiatrische Behandlung.

«Ich habe zuerst den Fehler bei mir gesucht», sagt E. Doch als sie von Kirchenmitarbeitern aus dem Kanton Zürich auf G. angesprochen wird, erfährt sie: Über Jahre hat der Pfarrer dort fast ein Dutzend Mitarbeiter aus einer Kirchgemeinde gemobbt. Manche brachen wie E. zusammen, mussten in einer Klinik psychiatrisch betreut werden, sind zum Teil bis heute arbeitsunfähig.

Pfarrer G. ist kein Einzelfall

Dass Pfarrer G. kein Einzelfall ist, zeigt eine jüngst veröffentlichte Umfrage, die der Schweizerische Katholische Frauenbund (SKF) mit der Gewerkschaft Syna im Auftrag der Schweizer Bischofskonferenz durchführte. «Mit der Kirche als Arbeitgeberin ist die Unzufriedenheit am grössten», heisst es dort. Mitarbeiter beklagten «Willkür» und «mangelnde Teamfähigkeit von Priestern».

Die Studie liest sich beinahe wie eine Zusammenfassung der Vorgänge in Glarus und Zürich. Häufig sähen Priester ihre Angestellten als Konkurrenten. «Sie drängen die Mitarbeiterinnen zurück, wenn diese von der Gemeinde mehr Anerkennung bekommen als sie selber», heisst es. Doch: «Die Priester werden im Konfliktfall vom Kirchenrat oder dem Bistum bevorzugt behandelt.»

Bevor Pfarrer G. in Glarus tätig wurde, arbeitete er im Zürcher Oberland: ab 2006 als Vikar, dann als Pfarrer. Zwei Jahre nach Amtsantritt, als sein Vorgänger gerade abgetreten war, kam es zum ersten Konflikt: G. schickt einer Sozialarbeiterin beleidigende E-Mails. Als sich deren Kollegin bei der Kirchenpflege darüber beschwert, gerät sie selbst in die Schusslinie: Eine Mitarbeiterbeurteilung, die sie bereits unterzeichnet hatte, verändert G. nachträglich ins Negative.

Der Konflikt mit der Frau, damals seit 23 Jahren im Dienst der Kirche, spitzt sich zu: Sie erkrankt, im Mai 2009 wird sie entlassen. Ihre Tochter, schockiert darüber, wie mit ihrer Mutter umgesprungen wird, tritt aus der Kirche aus. In einem Schreiben an die Kirchenleitung, das SonntagsBlick vorliegt, schreibt sie: «Gott würde dieses Verhalten von Herr Pfarrer G. niemals unterstützen, aber die katholische Kirche schon? Ich glaube an Gott, aber künftig nicht mehr an die Kirche.»

Schweigegeld nach Kündigung?

Fünf weitere Mitarbeiter im Zürcher Oberland machen noch Mobbing-Erfahrungen mit G., auch ein Mitglied der Kirchenpflege ist dabei. Wegen der damit verbundenen Krankheitsfälle bezahlt die Gemeinde viel Geld.

Mindestens drei Mitarbeiter erhalten nach ihrer Kündigung eine Lohnfortzahlung: «Mit einer Abfindung von einem halben Jahreslohn und einer Verpflichtung zur Loyalität entlässt Sie die Kirchgemeinde», steht in den Verträgen. Die Betroffenen fassen dies als Verpflichtung zum Schweigen auf, getrauen sich nicht, über die Vor­fälle zu sprechen.

Irgendwann gelangt auch die Geduld der Kirchenleitung an ihre Grenzen. Der Präsident der Zürcher Kirchgemeinde: «Es gab Probleme mit Pfarrer G., wir haben deshalb seine Abberufung verlangt, der Generalvikar hat dem Wunsch stattgegeben.» Im Sommer 2014 verlässt G. die Gemeinde.

Kurz darauf tritt G. seine nächste Stelle an – in Glarus.

«Jeder hat eine 2. Chance verdient»

Auch Generalvikar Josef Annen, zuständig für das Personal der katholischen Kirche in Zürich und Glarus, weiss von den Problemen: «Es gab einen Konflikt und die Kirchenpflege bat um eine Versetzung des betreffenden Pfarrers.»

Generalvikar Josef Annen weiss von den Problemen mit Pfarrer G.
Foto: Marcel Nöcker
Generalvikar Josef Annen weiss von den Problemen mit Pfarrer G.
Foto: Marcel Nöcker

Auf Details möchte er nicht eingehen, sagt nur: «Jeder hat eine zweite Chance verdient. Es wurden Massnahmen ergriffen, damit sich das Problem nicht wiederholt.» Annen fasst zusammen: «Am Ende ist jeder nur ein Mensch.»

G. selbst will sich nicht äussern. Doch der Präsident der Kirchgemeinde in Glarus, auf den der Priester verweist, erklärt: «Wir arbeiten an der Aufarbeitung des aktuellen Falls, für uns ist es schon das zweite Mal, dass uns das Generalvikariat einen Problem-Priester zuweist.»

Für Beatrice E. ist das ein schwacher Trost: Die Stelle für ihre Nachfolgerin ist ausgeschrieben, Priester G. nach wie vor im Amt. Beatrice E. hofft, dass die Kirche nun endlich reagiert: «Es bringt nichts, das Ganze erst in ein paar Jahren aufzu­arbeiten, es muss jetzt gestoppt werden!»

* Namen der Redaktion bekannt

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