Die Zahl der Kindsmisshandlungen steigt. Die Kinderschutzgruppe und Opferberatungsstelle des Universitäts-Kinderspitals Zürich hat im vergangenen Jahr erneut eine Zunahme der gemeldeten Verdachtsfälle registriert: Die Zahl stieg von 625 im Vorjahr auf 647.
Nicht immer bestätigt sich ein Verdacht. So war sich das Team in 478 Fällen sicher, wie das Kinderspital am Mittwoch mitteilte.
In den restlichen 125 Fällen konnte der Verdacht nicht bestätigt, aber auch nicht ausgeräumt werden. Die Betroffenen werden dann entweder engmaschig kontrolliert oder von anderen Stellen, wie Mütter- oder Väterberatung, betreut. In 44 dieser Fälle stellte sich im weiteren Verlauf heraus, dass keine Misshandlung vorlag, sondern zum Beispiel ein Unfall zur Verletzung führte.
Fünf Kategorien der Kindsmisshandlung
In der Erfassung von Kinderschutzfällen werden fünf Kategorien unterschieden: körperliche und psychische Misshandlung, sexueller Missbrauch, Vernachlässigung und Münchhausen Stellvertreter-Syndrom. In einem Fall können auch mehrere Misshandlungsformen vorliegen. Dann wird das Kind der Kategorie zugeteilt, die am augenscheinlichsten ist.
Nachdem es bei den körperlichen Misshandlungen im Vorjahr einen Rückgang gab, haben diese Fälle 2022 wieder zugenommen. Sie machten 31 Prozent aller Verdachtsfälle aus. Das Bewusstsein, wie schädigend solche Strafen sein können, sei noch ungenügend in der Bevölkerung angekommen, heisst es in der Mitteilung.
Der Beschluss des Ständerats, die gewaltfreie Erziehung im Schweizerischen Zivilgesetzbuch zu verankern, helfe hoffentlich, die körperliche Bestrafung von Kindern zu reduzieren.
Mehr Risikosituationen festgestellt
Die Anzahl der sexuellen Misshandlungen blieb etwa auf ähnlichem Niveau im Vergleich zum Vorjahr. 26 Prozent der Misshandlungen sind sexueller Natur.
Es wurden mehr Risikosituationen erkannt. Immerhin fünf Prozent der 647 Fälle waren Fälle, bei denen es nicht zu einer Misshandlung kommt, ein Risiko einer Misshandlung in der Zukunft aber nicht ausgeschlossen werden kann.
Die Zahl der psychischen Misshandlungen ist zurückgegangen, doch noch immer entfallen 17 Prozent aller Verdachtsfälle darauf. Eine schlechte Nachricht: Es gibt mehr Verdachtsmomente bei vernachlässigten Kindern, sie machen 20 Prozent aller Fälle aus. Die Grenze zwischen diesen beiden Misshandlungsformen sei meist fliessend, erklärten die Kinderschützer in einer Mitteilung.
Die wenigsten Fälle gibt es beim sogenannten Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom. Dabei erfinden, übersteigern oder verursachen die Erziehungsberechtigten eine Krankheit bei ihren Kindern. Sie machen nur ein Prozent der erfassten Verdachtsfälle in 2022 aus. (nad/SDA)