Kein Corona-Bonus für Zürcher Pflegekräfte
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Kantonsrat lehnt ab
Kein Corona-Bonus für Zürcher Pflegekräfte

Verkehrte Welt am zweiten Tag der Zürcher Budgetdebatte: Für einmal war es die SVP, die Geld verteilen wollte. Doch auch dann hatte sie gegen die andere Ratsseite keine Chance. Schlecht bezahlte Pflegekräfte erhalten somit keinen Corona-Bonus.
Publiziert: 08.12.2020 um 23:25 Uhr
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Aktualisiert: 09.12.2020 um 08:07 Uhr
Die Partei von SVP-Regierungsrätin Natalie Rickli, Vorsteherin der Gesundheitsdirektion, machte sich im Zürcher Kantonsrat für einen Corona-Bonus für Pflegekräfte stark. Ohne Erfolg.
Foto: Keystone

Für einmal wollte die SVP verteilen. Die Partei machte sich für einen Corona-Bonus für Pflegekräfte stark. Doch verkehrte Welt am zweiten Tag der Zürcher Budgetdebatte: Die andere Ratsseite stemmte sich dagegen. Schlecht bezahlte und derzeit am Limit arbeitende Pflegekräfte erhalten somit keinen Corona-Bonus.

Es brauche «ein Zeichen der Wertschätzung», begründete die SVP am Dienstag ihren Antrag. Dieses Zeichen sollte ihrer Meinung nach 500 Franken Wert sein und all jenen Spitalangestellten zugute kommen, die bei einem Vollzeitpensum weniger als 75'000 Franken verdienen.

Weil der Kantonsrat rechtlich gesehen gar kein Geld an die Spitalangestellten verteilen kann, schlug die SVP vor, stattdessen ein «Naturalgeschenk» zu genehmigen, ohne dies genauer zu definieren.

Parteien üben Kritik an SVP-Vorschlag

Die anderen Fraktionen fanden das «nicht durchdacht». Gleichzeitig wolle die SVP an einer anderen Stelle ja bei den Spitälern sparen. Das passe doch nicht zusammen und sei ein «kläglicher Versuch, Sympathiepunkte zu sammeln», so die Grünen-Sprecherin.

Dass die 500 Franken nur den Schlechtverdienenden zugute kommen sollten, sei nicht in Ordnung, so die SP-Sprecherin. Auch besser bezahlte Spitalangestellte würden derzeit viel leisten. Der SVP-Antrag, der 1,4 Millionen Franken gekostet hätte, wurde schliesslich mit 115 Nein zu 48 Ja abgelehnt.

Auch Corona-Bonus-Antrag der SP chancenlos

Keine Chance hatte aber auch ein Corona-Bonus-Antrag der SP. Sie wollte jenen Staatsangestellten, die besonders von der Bewältigung der Pandemie betroffen waren, eine Einmalzulage von 500 Franken zahlen. Insgesamt hätte dies 8,8 Millionen Franken gekostet.

Im Gegensatz zum SVP-Antrag wäre diese Zulage nicht nur an die Pflegekräfte gegangen, sondern an alle, unabhängig von ihrem Lohn. So hätten etwa auch Lehrpersonen oder Polizisten profitiert.

Die anderen Fraktionen hatten jedoch ihre Zweifel. Wie wolle man denn feststellen, welche Arbeit besonders wertvoll gewesen sei? Dieser Antrag führe nur zu Frustrationen, so die Grünen. Der Antrag wurde dann mit 115 Nein zu 50 Ja abgelehnt. Somit gehen alle Kantonsangestellten leer aus.

Trotz mehr häuslicher Gewalt auch kein zusätzliches Geld für Opferhilfe

Kein zusätzliches Geld gibt es auch für die Opferhilfestellen, die einen deutlichen Anstieg der Meldungen über häusliche Gewalt feststellen. Vor allem in den vergangenen Tagen und Wochen stieg die Zahl, weil die Tage dunkler und die Unsicherheiten grösser wurden.

Gemäss Angaben der Kantonspolizei beträgt der Anstieg über das ganze Jahr gesehen 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Linke und Grüne Parlamentarierinnen und Parlamentarier stellten deshalb bei der Budgetdebatte den Antrag, der Opferhilfe mehr Geld zuzusprechen.

Die Ratsmehrheit hatte zwar Sympathien für den Ausbau-Antrag. Es sei jedoch fraglich, ob ein Ausbau wirklich nötig sei. Falls Ja, hätte die Regierung dies ja in ihren Budgetvorschlag aufnehmen können. Der Antrag wurde deshalb mit 90 zu 78 Stimmen abgelehnt.

Keine grossen Einsparungen

Justizdirektorin Jacqueline Fehr (57, SP) sagte, dass sie erst vor zehn Tagen von Opferberatungsstellen darüber informiert worden sei, dass die Zahl der Fälle deutlich steige. Sollte diese Entwicklung weitergehen, werde die Regierung aber ohnehin reagieren. «Kein Opfer soll während der Corona-Pandemie allein gelassen werden», sagte sie.

Viel gespart hat der Kantonsrat bei der zweiten Budget-Sitzung nicht. Einen Betrag von 1,6 Millionen Franken kürzte der Rat bei Justizdirektorin Fehr, indem er beim IT-Projekt «Juris X» die Reissleine zog. Der Antrag dafür kam von der GLP.

«Weiteres Informatik-Debakel»

Bei «Juris X», einer Software für Justizvollzug und Strafverfolgung, gebe es einfach zu viele offene Fragen, so die GLP. Auch andere Parlamentarierinnen und Parlamentarier von links bis rechts befürchteten «ein weiteres Informatik-Debakel», wie man es vom Kanton Zürich ja bereits kenne.

Justizdirektorin Fehr appellierte, das Projekt nicht zu stoppen. «Es ist vorderhand alles auf Kurs.» Eine grosse Mehrheit glaubte ihr offenbar nicht und strich das Geld für die Software-Anschaffung mit 104 zu 50 Stimmen bei 10 Enthaltungen. Wie es mit «Juris X» nun weitergeht, ist offen.

Unter dem Strich kürzte der Rat nach zwei Tagen Debatte rund 10 Millionen aus dem Regierungsvorschlag – angesichts der Gesamtausgaben von 16 Milliarden jedoch nur eine kosmetische Massnahme. Das Finanzloch wird über eine halbe Milliarde betragen. Die Debatte wird nächste Woche fortgesetzt. (SDA/kes)

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