Ein silberner SUV fährt am Freitagabend auf den Strichplatz in Zürich-Altstetten, die Insassen checken die Frauen ab. «An mir fuhren sie vorbei», erzählt Kitty* (22). «Das Auto war voll besetzt.» Kitty sah am Steuer einen jungen Mann, auf dem Beifahrersitz eine schwarzhaarige Frau, auf der Rückbank drei Männer, zwei davon seien dunkelhäutig gewesen.
Was dann geschah, schockiert die junge Sex-Arbeiterin so tief, dass sie die Bilder auch Tage später nicht mehr aus dem Kopf bringt, wie sie BLICK erzählt. Der SUV-Fahrer fuhr eine 38-jährige Polizistin um und verletzte sie lebensgefährlich. Dann fuhr er davon, ohne sich um die Verletzte zu kümmern. Nach der Flucht am Freitagabend wurde der 19-Jährige Lenker am Samstag verhaftet.
Autoinsassen filmten die Prostituierten mit dem Smartphone
Kitty sah, wie es zum Unfall kam: «Meine Freundin etwas weiter vorne beobachtete, dass die Autoinsassen uns Frauen mit dem Handy filmten und fotografierten», sagt Kitty. «Das ist hier nicht erlaubt, deshalb ging sie zu den anwesenden zivilen Polizisten, um das zu melden.» Die Sexarbeiterinnen kennen das Duo der Zürcher Stadtpolizei gut. Kitty: «Es sind immer dieselben Polizisten hier. Die Frau, die umgefahren wurde, mag ich sehr.»
Die Polizistin habe sich vor den SUV gestellt, mit der Hand deutlich «Stopp» signalisiert und sich als Beamtin zu erkennen gegeben. Ihr Arbeitskollege sei dabei gestanden, erzählt Kitty: «Das Auto fuhr zuerst ein paar Meter zurück. Dann legte der Fahrer den Vorwärtsgang ein und fuhr die Polizistin voll über den Haufen. Es war so schrecklich!» Die Polizistin sei aufgrund der Höhe des SUV nicht über die Haube geflogen, sondern unter das Auto geraten. «Dann wurde sie mitgeschleift, mindestens zehn Meter weit, vielleicht sogar mehr. Wir konnten alle nur schockiert zusehen.»
Waren Drogen im Spiel?
Während die 38-Jährige schwer verletzt liegen blieb, sei der Fahrer davongebraust und in Richtung Europabrücke abgebogen. «Die Sicherheitsleute, die da waren, sind dem Auto noch hinterhergerannt, aber das brachte natürlich nichts mehr», erzählt Kitty. Wie sie gehört habe, sei der 19-jährige Fahrer auf der Flucht von einer Überwachungskamera gefilmt worden. Erich Wenzinger, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich sagt dazu: «Die Festnahme erfolgte nicht gestützt auf solche Kameraaufnahmen.»
«Ich bin jedenfalls froh, dass sie ihn gefasst haben», sagt Kitty. «Die Frauen hier vermuten, dass die im Auto wohl Drogen dabei hatten und darum nicht kontrolliert werden wollten.»
Zu allfälligen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz wollte sich die Zürcher Staatsanwaltschaft aufgrund der laufenden Ermittlungen nicht äussern. Sie hat gegen den 19-Jährigen ein Strafverfahren wegen eines versuchten vorsätzlichen Tötungsdelikts sowie weiterer Delikte eröffnet. Der Unfallfahrer wurde heute in Untersuchungshaft versetzt.
Strichplatz bleibt vorübergehend zu
Der Strichplatz bleibt diese Woche zu und wird erst am Freitagabend wieder öffnen – zu sehr stehen die Sexarbeiterinnen noch unter Schock, heisst es bei der zuständigen Stelle. «Wir sind äusserst betroffen über diesen Vorfall. Unsere Gedanken sind bei der verletzten Stadtpolizistin und ihren Angehörigen», sagt Nadeen Schuster, Kommunikationsleiterin der Sozialen Einrichtungen und Betriebe der Stadt Zürich. «Die betroffenen Mitarbeitenden werden professionell betreut. Aufgrund der Ereignisse bleibt der Strichplatz bis am 6. März geschlossen.»
Die 38-jährige Polizistin wurde am selben Abend im Spital notoperiert. Ihr Zustand ist laut Polizeisprecher Michael Walker nach wie vor kritisch.
* Name geändert