Zürcher Ehepaar muss in Brandruine leben
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Notunterkunft nicht tragbar:Zürcher Ehepaar muss in Brandruine leben

IV-Rentner aus Glattfelden ZH total verzweifelt
Ehepaar lebt in einer verkohlten Brandruine

Ein Brand hat das Zuhause von Hanspeter und Delphine Künzler in Glattfelden ZH unbewohnbar gemacht. Der Beistand des IV-Rentners müsste eine neue Unterkunft suchen. Seit drei Monaten ohne Erfolg. Und die Eheleute müssen in den von Russ verschmutzten vier Wänden leben.
Publiziert: 18.09.2019 um 18:19 Uhr
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Aktualisiert: 18.09.2019 um 18:30 Uhr
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Diese Wohnung in Glattfelden ZH ist eine Brandruine.
Foto: Zvg
Anastasia Mamonova

Die Wände sind schwarz und in der Luft hängt immer noch der beissende Brandgeruch. Eine Stichflamme in der Küche der 3,5-Zimmerwohnung des Ehepaars Künzler in Glattfelden ZH sorgte vor drei Monaten für einen Feuerwehreinsatz. 

Trotzdem leben Hanspeter Künzler (53) und seine Frau Delphine (44) weiter in ihrem Zuhause. Denn eine geeignete Wohnung hat der Beistand des IV-Rentners immer noch nicht gefunden, berichtet Tele Züri.

Beistand muss neue Wohnung suchen

Unmittelbar nach dem Brand zügelt das Ehepaar in ein kleines Dachzimmer im Restaurant Fähre in Zweidlen ZH. Die Toilette und die Dusche müssen die Künzlers mit anderen Personen im Stock teilen. Denn eigentlich vergibt der Besitzer des Restaurants die Zimmer temporär an Gastarbeiter.

Die Unterkunft soll nur als Notlösung für zwei bis drei Tage dienen, bis der Beistand eine geeignete Ersatzwohnung findet, der laut Künzler in der Pflicht ist. Denn in seinem Fall handelt es sich um eine umfassende Beistandschaft. Diese wird erreicht, wenn eine Person zum Beispiel in besonderem Ausmass hilfsbedürftig ist.

Gehbehinderter Mann musste 1,5 Kilometer laufen

Doch Künzlers bleiben knapp drei Monate. Doch vor allem für Hanspeter ist die Wohnung eine Zumutung: Die nächste Bushaltestelle liegt 1,5 Kilometer entfernt. So lange kann der gehbehinderte Künzler, der in Thalwil in einer Behindertenwerkstatt als Hilfskoch arbeitet, kaum laufen. Seine beiden Beine muss er mit speziellen Prothesen stützen.

Auch das Gemeinschafts-Badezimmer macht dem Ehepaar zu schaffen. Wegen seiner Behinderung kann sich Hanspeter Künzler nicht optimal in einer Duschkabine waschen, sondern muss in einer Badewanne liegen. Seine Frau fühlt sich unwohl beim Teilen des Badezimmers mit anderen fremden Männern. 

Paar hält es nicht aus und zieht zurück in die Brandruine

Vor einigen Wochen bricht der schwer Gehbehinderte auf dem Weg zum Bahnhof zusammen und ruft seinen Freund Martin L.* an: «Er sagte, dass er auf halbem Weg zwischen der Wohnung und der Station am Boden liegt, weil er nicht mehr laufen kann», sagt Martin L. zu BLICK.

Da habe er erfahren, dass der IV-Rentner immer noch im kleinen Zimmer in Zweideln lebt. «Ich war schockiert. Ich dachte, der Beistand habe sich schon längst um eine geeignete längerfristige Unterkunft gekümmert», sagt L. «Er sagte mir, dass seine Frau es nicht mehr ausgehalten hat und wieder in Glattfelden sei. Sie würde lieber in einer Brandruine leben, statt in diesem Mini-Raum», sagt der Freund. Eigenhändig habe sie versucht, die verkohlte Wohnung ein bisschen zu putzen, um irgendwie drin leben zu können. Vergangenen Samstag zügelte auch ihr Mann zurück.

Paar schläft am Boden auf Matratzen

Die Küche in ihrer Wohnung wurde mittlerweile rausgerissen, sonst habe sich aber kaum etwas verändert. Und es ist unklar, wann die Sanierungsarbeiten weitergehen. Warm kochen kann das seit 16 Jahren verheiratete Ehepaar nicht. Im Badezimmer gibt es kein Licht. Die Wände sind voll von Russ. Die Decke ist teilweise eingestürzt.

Schlafen müssen Hanspeter und seine Delphine auf zwei Matratzen am Boden in der Stube. «Sie haben sie ganz nah an die Balkontür gelegt, damit sie frische Luft einatmen können. Denn sogar im Treppenhaus stinkt es noch stark», sagt der Freund der Familie. 

Kopfschmerzen und miserable Wohnqualität

Zwar haben sie hier etwas mehr Platz und auch ihr eigenes Badezimmer, gut geht es den beiden dennoch nicht. «Die Wohnqualität ist miserabel», sagt Künzler zu Tele Züri. Er leide ständig an Kopfschmerzen und habe das Gefühl, depressiv zu werden. Seine Frau, die in einem Heim arbeitet, fügt ihm bei: «Ich fühle mich total verloren.»

Vom Beistand und dem Sozialamt Bülach fühlen sie sich im Stich gelassen. «Sie kümmern sich überhaupt nicht um ihn», klagt Delphine Künzler.

Wohnungslösung wegen «finanziellen Ressourcen» erschwert

Das Sozial- und Gesundheitsdepartement der Stadt Bülach sagt auf Anfrage von BLICK, man könne wegen der Schweigepflicht keine fallbezogenen Auskünfte geben. Es komme aber allgemein auf die vorhandenen Ressourcen – vor allem die finanziellen – und das Bezugssystem der Person, also Ehepartner oder Verwandte, an. Eine Wohnung sei nicht immer einfach zu finden, erklärt Daniel Knöpfli, Leiter Soziales und Gesundheit Stadt Bülach gegenüber BLICK.

Hinzu kommt: «Die Berufsbeistandschaften haben keine eigenen Mittel. Beiständinnen und Beistände können nur mit dem verwalteten Einkommen und Vermögen der verbeiständeten Person wirken.» Dies könne teilweise optimale Wohnlösungen unter Umständen auch erschweren.

«Hanspeter und Delphine sind psychisch am Limit»

Martin L. ärgert er sich über die Kommunikation zwischen seinem Freund und den Behörden: «Das Sozialamt verweist auf den Beistand, weil dieser die Vollmacht hat und der Beistandschef verweist auf die zuständige Beiständin. Die ist aber entweder in den Ferien, krank oder wegen ihres niedrigen Pensums sonst abwesend. Wenn sie dann mal zu erreichen war, hiess es nur, weitere Abklärungen müssen getroffen werden.»

Daniel Knöpfli widerspricht: «Unsere Berufsbeiständinnen und Berufsbeistände, sind – wie notabene sämtliche Mitarbeitende der Stadt Bülach – angehalten, spätestens innerhalb von zwei Arbeitstagen Anrufende zurückzurufen oder auf E-Mails zu reagieren. Dies wird von unseren Mitarbeitenden und auch von den Beiständinnen und den Beiständen eingehalten. Notsituationen werden selbstverständlich prioritär behandelt.»

Für Martin L. klingt das alles nach Ausreden. «Hanspeter und Delphine sind psychisch am Limit. Es ist unglaublich, dass sie abends da am kleinen Tisch sitzen und kaltes Essen essen müssen. Sie haben nicht viel Geld. Aber irgend eine Versicherung muss für den Schaden und eine neue Wohnung aufkommen. Die Behörden müssen endlich handeln!»

* Name geändert

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