In grossen Buchstaben steht eine kuriose Prophezeiung an der Wand im Zürcher Bahnhof Stadelhofen: «Kreuz am Himmel wird (baldige!) ‹Seelenschau› ankündigen!», steht da auf einem Plakat. Links prangt ein Kreuz, am unteren Rand des Plakats die Internetadresse «dasbuchderwahrheit.de».
Der Aushang findet sich gemäss BLICK-Informationen auch auf der Plattform der Gleise 41/42 des Hauptbahnhofs Zürich.
Komiker Viktor Giacobbo hat die Botschaft am Bahnhof Stadelhofen entdeckt und veröffentlichte ein Foto davon auf Twitter. «Immer diese Sinnfragen überall ...», spottete er. «Der Landbote» berichtete ebenfalls über die absurde Kampagne. «Plakat mit fragwürdiger Botschaft im Stadelhofen», titelte die Tageszeitung.
Auf der erwähnten Website geht es primär um den Verkauf von Büchern wie dem «Buch der Wahrheit» und religiösen Devotionalien: sogenannte Medaillen der Erlösung, Mutter-der-Erlösung-Rosenkränze und anderen als Heilsbringer kaschierten Plunder.
«Letzte Prophetin Gottes»
Die Autorin der Bücher: Maria Divine Mercy, die behauptet, direkt von Gott mit «himmlischen Offenbarungen» versorgt zu werden. Bis im Frühling 2015 hält die selbsternannte «letzte Prophetin Gottes» eine beachtliche Gefolgschaft im Internet regelmässig über die angeblichen Nachrichten aus dem Jenseits auf dem Laufenden.
Schreckensbotschaften, Warnungen, Heilsversprechen. So lautet das Rezept der Sektenführerin, um ihre Anhänger bei Kauflaune zu halten. In regelmässigen Abständen warnt Maria Divine Mercy vor apokalyptischen Szenarien und kündigt die Rückkehr von Jesus Christus an.
Gerettet wird nur, wer im Besitz einer Medaille der Erlösung ist. Das gibt die Sektenführerin immer wieder unmissverständlich zu verstehen. Menschen «jeden Alters, jeder Kultur und jeder Konfession» müssten eine Medaille erhalten.
Journalisten decken schliesslich auf, wer sich hinter dem Pseudonym Maria Divine Mercy versteckt: Es handelt sich um die irische PR-Expertin und Society-Lady Mary McGovern-Carberry, ehemalige Inhaberin einer Werbeagentur. Als sie die Zeitung «The Irish Mail On Sunday» 2015 auffliegen lässt, geht sie an ihrem Wohnort Malahide, einem Vorort von Dublin, von Kiosk zu Kiosk und kauft dort sämtliche Zeitungen zusammen.
Peinlich: Bei ihrer Verzweiflungstat wird sie von Überwachungskameras aufgezeichnet – und liefert der Zeitung somit gleich Stoff für die nächste Geschichte.
Umorientierung auf europäisches Festland?
Seither ist es im englischsprachigen Raum ruhig geworden um die Maria-Divine-Mercy-Sekte. Offenbar sollen nun auf dem europäischen Festland neue Märkte erschlossen werden. Sekten-Experte Georg Otto Schmid sagt zu BLICK: «Es ist ein bekanntes Vorgehen solcher Organisationen, dass sie ihre Aktivitäten in ein anderes Sprachgebiet verlegen, wenn sie an einem bestimmten Ort unter Druck geraten.»
Letztes Jahr sorgte bereits eine Maria-Divine-Mercy-Veranstaltung im deutschen Heidelberg für Schlagzeilen. Auch in der Schweiz mobilisiert die Sekte offenbar Anhänger: «Ich hatte bereits mit ein paar Dutzend Fällen zu tun», sagt Schmid, der Angehörigen in Sektenfragen als Berater zur Seite steht. Schmid geht davon aus, dass der Bewegung schweizweit ein paar Hundert Menschen folgen.
Die Kampagne richte sich an Menschen, die konservativ katholisch orientiert seien, erklärt Schmid. «Menschen, die verunsichert sind, werden durch die apokalyptischen Botschaften mobilisiert. Ob es in der Schweiz bereits eine Gruppenstruktur gibt, ist mir jedoch nicht klar.»
Kampagne regulär ausgelaufen
Auch wenn die Masche mit den Devotionalien nicht illegal ist. Für Sekten-Experte Schmid ist klar: «Das Geschäft mit den Medaillen ist Merchandising vom hemmungslosesten.»
Inzwischen ist das Plakat am Bahnhof Zürich Stadelhofen überklebt. Nadja Mühlemann, Sprecherin der Allgemeinen Plakatgesellschaft: «Das Plakat hing plangemäss eine Woche lang.» Die Kampagne habe keine Gesetze verletzt und sei regulär ausgelaufen.