Im zweiten Stock des Fünfsternehotels Marriott liegen über 600 Gedecke bereit. Für die traditionelle Adventsfeier für Randständige am zweiten Advent ist alles bereit. Eine lange Reihe von dampfenden Schalen aus Stahl stehen zwischen den beiden grossen Sälen. Im Nobelhotel an der Limmat duftet es verführerisch nach Bratensauce und Gemüse.
2004 hat der Hoteldirektor Daniel Lehmann (53) mit dem Obdachlosen-Pfarrer Ernst Sieber (1927–2018) das Festessen für die Ärmsten ins Leben gerufen. Dieses Jahr findet der Anlass schon zum zweiten Mal ohne seinen geistlichen Gründer statt. Er verstarb im September 2018. «Sein Spirit fehlt definitiv», sagt Lehmann über das Fehlen von Sieber.
Angestellte arbeiten freiwillig
Als die Gäste in das Hotel strömen, begrüsst sie der Hoteldirektor Lehmann beim Eingang persönlich. Er drückt Hunderte von Händen und heisst alle willkommen. Die Freude der Gäste ist gross.
Auch Pfarrer Christoph Zingg (57) mischt sich unter die Leute. Er ist Gesamtleiter des Sozialwerks Pfarrer Sieber. Als die Gäste sitzen, stimmt er auf der Bühne das Weihnachtslied «O du fröhliche» an. Mehrere Dutzend Hotelangestellte, die an dem Sonntag alle ohne Lohn arbeiten, versorgen die Gäste mit Getränken.
Nur das Beste ist gut genug
Dann ist das legendäre Buffet eröffnet. Nur das Beste und Feinste kommt auch an diesem Tag aus der Küche des Tophotels. «Wir servieren heute das Gleiche, wie wenn wir die Nationalbank zu Gast hätten», sagt Direktor Daniel Lehmann.
Das Buffet für die Obdachlosen sei mittlerweile ein fester Posten im Budget. «Wir haben Essen für 25'000 Franken eingekauft. Das sind zum Beispiel 60 Kilogramm Lachs. Und beim Fleisch bester Rindsrücken. Wir servieren auch heute kein Ghackets mit Hörnli.»
«Ernst Sieber fehlt uns sehr», sagt Christoph Zingg. «Es ist so schön, dass wir mit dem Hotel den Anlass trotzdem weiterhin durchführen können. Die Leute freuen sich über Monate auf den Anlass», sagt der Pfarrer. «Das Fest ist wichtig für die Leute.»