Die Schattenseiten der heissen Street Parade bekamen am Wochenende vor allem Frauen zu spüren: Während der Parade wurde gegrapscht, was das Zeug hält. Zahlreiche Frauen haben sich bereits bei BLICK gemeldet und ihre Erlebnisse geschildert (BLICK berichtete). So auch Anina* – sie wurde auf der Brücke am Zürcher Bürkliplatz mehrmals am Po begrapscht. Und das auch ohne freizügige Kleidung. «Es wird Jahr für Jahr schlimmer an der Street Parade», findet sie.
Für Karin Moos von der Frauenberatung Sexuelle Gewalt sind solche Geschichten Alltag: «Sexuelle Gewalt gegen Frauen passiert leider täglich», sagt sie. An solchen Grossereignissen wie der Street Parade jedoch würden die Vorfälle konzentrierter passieren. Denn die Männer haben einfaches Spiel. Sie verschwinden schneller in der Masse und kommen so ungestraft davon. Moos macht klar, dass diese Übergriffe nicht sexuell motiviert seien. Vielmehr gehe es um Dominanz. «Solche Männer planen diese Übergriffe meist im Voraus. Ihnen geht es darum, Macht auszuüben.» Alkohol und Drogen würden bei einer Street Parade solchen Männern noch die letzten Hemmungen nehmen.
Frauen sollen durch Verharmlosung verstummen
In den Leserkommentaren zum BLICK-Artikel zu den Grapsch-Attacken haben auffällig viele Leser den Frauen die Schuld an den Übergriffen gegeben: «Frauen, die sich so anziehen, wollen es doch selbst» – so lautete einer der Kommentare. Woher kommt diese Haltung? «Das ist nicht neu. Es handelt sich dabei um hartnäckige Vergewaltigungsmythen à la ‹das passiert nur der Frau im Mini-Röckli›. Das stimmt nicht. Sexuelle Übergriffe passieren, egal wie eine Frau angezogen ist», sagt Moos. «Die Schuld ist immer beim Täter! Sicher nie beim Opfer. Denn ein Nein ist ein Nein.»
Dass sich Leser so äussern, habe auch mit einer Machtausübung zu tun. Im anonym geschützten Rahmen würden gerade Männer so gerne die sexuelle Gewalt verharmlosen. Dies mit dem Ziel, die Frauen zum Verstummen zu bringen.
Wie aber können solche Attacken verhindert werden? Die Frauen berichten gegenüber BLICK, dass es meistens Hände in der Menge sind, die sie überall am Körper begrapschten. «In solchen Momenten muss man laut werden. Die Frauen sollen schreien und um Hilfe rufen. Die Frauen müssen sich das unbedingt getrauen. Die Männer rechnen schon damit, dass die Frauen sich nicht wehren.» Doch das sei klar falsch. «Sexuelle Gewalt darf nie akzeptiert werden.» Aber wie es scheint, ist sie für jede dritte Frau in der Schweiz Alltag – so schreibt es die Statistik. Die Dunkelziffer dürfte noch höher sein.
Jeder Vorfall ist ernst zu nehmen
«Frauen rechnen mittlerweile schon damit, im Ausgang belästigt zu werden. Ich höre immer wieder: Das ist doch normal. Darum werden viele Vorfälle auch nicht mehr gemeldet», meint Moos. Diese Haltung muss aus den Köpfen der Frauen.
Aktionen wie der Hashtag «Metoo» oder die aktuellen Demonstrationen gegen Gewalt an Frauen in den letzten Tagen würden dabei helfen. «Die Frauen müssen sich wehren – laut werden.» Moos ist überzeugt, dass die Menschen in der Schweiz dadurch sensibilisierter werden. Auch die Kampagne Luisa würde dabei helfen. Wer in einer Bar belästigt werde, kann mit dem Codewort Luisa an der Bar Hilfe ersuchen. «Diese Aktion wird schon in vielen Bars aktiv genutzt.»
Jetzt sei Zivilcourage gefordert, findet Moos. «Ich glaube nicht, dass die Gesellschaft solche Übergriffe toleriert.»