Zeugen kehren sechs Monate nach Bluttat zum Tatort zurück
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«Lasst die Finger von Messern»:Zeugen kehren sechs Monate nach Bluttat zum Tatort zurück

Gewalttat in Oetwil am See ZH
«Jeder Hammerschlag erinnert mich an den Knall»

Im Oktober 2022 ist es in Oetwil am See ZH zu einem grausamen Gewaltdelikt gekommen, bei dem ein 17-jähriger Portugiese verstarb. Nun sprechen erstmals die Bewohner der Wohnung, in dem das Unheil seinen Lauf nahm.
Publiziert: 28.03.2023 um 18:15 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2023 um 03:38 Uhr
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Liam Steiner (20) hat noch immer Mühe, mit dem Geschehenen zurechtzukommen.
Foto: Thomas Meier

Messerkriminalität ist in der Eidgenossenschaft auf dem Vormarsch: Von 42 vollendeten Tötungsdelikten im Jahr 2022 geschahen 17 mit einer Schneid- oder Stichwaffe. Das zeigt die am Montag veröffentlichte Kriminalstatistik der Konferenz der kantonalen Justiz- und Polizeidirektorinnen und -direktoren (KKJPD).

Direkt davon betroffen sind die beiden Freunde Liam Steiner (20) und Eren Vergili (24). Die jungen Männer waren im Herbst 2022 in ihrer WG in Oetwil am See ZH, als es dort plötzlich zu einer grausamen Bluttat kam, bei der ein damals 17-Jähriger sein Leben lassen musste.

«Ein enorm lauter Knall»

In dieser schicksalsträchtigen Nacht im Oktober empfing ihr Mitbewohner Besuch, vier junge Männer trafen sich in ihrer Küche in der Wohnung an der Willikonerstrasse. Steiner sagt: «Eren und ich kannten den Besuch nicht. Irgendetwas fühlte sich aber komisch an, also schauten wir in meinem Zimmer einen Film.»

In der Küche sei die Situation gemäss Behörden schliesslich aufgrund von Drogen und Geld eskaliert. Das schlechte Bauchgefühl sollte die beiden nicht trügen: «Plötzlich hörten wir einen enorm lauten Knall, gefolgt vom Geräusch zersplitterten Glases», erinnert sich Vergili. «Wir drückten die Türe zu und wollten uns bewaffnen, um uns verteidigen zu können. Wir versuchten sogar, Latten aus dem Rost des Betts zu reissen.»

Doch die Männer kommen nicht rein, sondern flüchten. Lediglich zwei Umrisse von Personen hätten die beiden noch aus der Türe huschen sehen. Der Boden war mit Glassplittern und Blut bedeckt, in der Ecke sass ein Kollege, die Hand auf eine Wunde am Oberschenkel gedrückt. «Unser Mitbewohner hatte ein blutiges Messer in der Hand, wir riefen sofort den Notarzt.» Der Mitbewohner habe weit aufgerissene Augen gehabt und am ganzen Körper gezittert, erzählen sie betroffen.

«Wir waren vollkommen hysterisch»

Dann ging alles ganz schnell: Kantonspolizei, Kriminalpolizei und Ambulanz tauchten auf. Die Wohnung war gefüllt mit Blaulichtmitarbeitern. Steiner und Vergili wurden stundenlang befragt. Trotz dieser Tortur möchten sie aber auch einen Dank aussprechen: «Eine Sanitäterin hat sehr herzig zu uns geschaut. Dafür möchten wir uns bedanken.»

Die Tat in Oetwil am See ZH hat bei den beiden jungen Männern aus Wetzikon und Winterthur tiefe seelische Narben hinterlassen: «Man kann das Gefühl währenddessen kaum beschreiben. Wir hatten Todesangst!» sagt Vergili. «Man denkt sich: ‹Komme ich jetzt selber drunter oder ist der Kollege in der Küche in Gefahr?› Wir waren vollkommen hysterisch.»

17-Jähriger verblutete in der Nähe

Das traurige Ende im Fall Oetwil: Der damals 17-jährige Angreifer wurde derart schwer verletzt, dass er aus dem Haus flüchtete und sich unter einem nahegelegenen Lastwagen versteckte. Dort verblutete der Teenager. Vergili und Steiner mussten nach diesem Erlebnis mit Angststörungen, Depressionen und Panik zurechtkommen. Sie waren teils nicht mehr arbeitsfähig. «Jeder Hammerschlag erinnert mich an den Knall», sagte Vergili, als er im Iwaz Sozialunternehmen in Wetzikon wieder zurück in die Arbeitswelt gelangen wollte und täglich acht Stunden mit einem Hammer beschäftigt war.

Inzwischen ist es den beiden jungen Männern gelungen, sich aufzuraffen. Sie gründeten einen Onlinehandel, der sich auf Tech-Gadgets spezialisiert hat. Bei jeder Bestellung werden automatisch zwei Franken an das Internationale Blaue Kreuz gespendet. Gegen Drogenmissbrauch und Gewalt. Denn die beiden sind sicher und schreiben auf ihrer Webseite: «Träume müssen keine Träume bleiben und Albträume müssen dies auch nicht.»

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