Der Alkohol. Er hat die Macht, Freundschaften zu schmieden – und sie wieder zu zerstören. Das zeigt die kuriose Geschichte eines jungen Männertrios.
Die drei sind eine unzertrennliche Partytruppe – bis zur schicksalshaften Nacht auf den 6. März 2016, als einer von ihnen nach einem feuchtfröhlichen Abend auf der A1 im Gubristtunnel aus dem Auto fällt.
Während sich andere Verkehrsteilnehmer um ihn kümmern, setzen seine beiden Kollegen ihre Heimfahrt fort und gehen schlafen.
Die Geschichte hat alle Zutaten eines mysteriösen Krimis: Warum ist der Schweiz-Kosovare G. B.* (23) aus dem Auto gestürzt? Hat ihn der ebenfalls betrunkene Mitfahrer A. B.* (22) geschubst? War es ein versuchter Mord? Hatten sie Krach? Und welche Rolle spielte B. B.* (22), der als Fahrer nüchtern geblieben war?
Dass sich die zwei Männer, ein Mazedonier und ein Kosovare, nach dem Sturz aus dem Staub machten, macht auch die Staatsanwaltschaft stutzig: Sie eröffnet ein Strafverfahren.
Hitzige Diskussion im Auto
Dann nimmt der Fall eine Wendung: Bilder der Überwachungskamera zeigen eindeutig, wie G. B. selbst aus dem mit 90 km/h fahrenden Auto springt. Die Staatsanwaltschaft stellt das Verfahren ein. Doch G. B. ist sauer, dass ihn seine Freunde einfach so im Stich gelassen haben. Er klagt wegen Unterlassung der Nothilfe.
Am Mittwoch standen die beiden Männer deswegen vor dem Bezirksgericht Dietikon ZH – und wurden verurteilt. Der Richter brummte ihnen eine Busse von 230 Tagessätzen zu 80 Franken auf, berichtet der «Tages-Anzeiger».
Bei der Verhandlung kamen neue Details zu der Schicksalsnacht ans Licht: Beifahrer A. B. und Opfer G. B. leeren am Samstagabend zusammen eine Flasche Whisky. Als sie die Disco Rinora 4 in Rümlang ZH verlassen, hat G. B. zwischen 1,8 und 2,3 Promille im Blut, sein Kumpel wohl noch mehr.
Die drei machen sich auf den Heimweg, und im Auto entbrennt eine hitzige Diskussion. Da kündigt G. B. an: «Ich steige jetzt aus!» Die beiden anderen glauben an einen Witz. Doch ihr Kumpel öffnet die Tür und springt. Wie durch ein Wunder wird er nicht schwerer verletzt. Er verliert aber seinen Geruchs- und Geschmackssinn.
Ein Blick in den Rückspiegel genügt nicht
Der Whisky hat an diesem Abend ganze Arbeit geleistet. Worum es bei der Diskussion ging, weiss heute niemand mehr. Warum er ausgestiegen ist, kann G. B. ebenfalls nicht sagen, er erinnere sich nicht an den Vorfall. Und Beifahrer A. B. gibt an, er sei zu betrunken gewesen, um zu realisieren, was passiert sei.
Wenigstens versucht der einzig nüchterne im Bunde, der Fahrer B. B., eine Erklärung für die tatenlose Weiterfahrt abzuliefern: Sie seien unter Schock gestanden. «Ich hatte Angst, man würde mir die Schuld geben», zitiert ihn der «Tages-Anzeiger». Er habe zudem im Rückspiegel gesehen, dass die nachfolgenden Autos anhielten und deren Fahrer sich um den Verletzten kümmerten.
Diese Argumente liess der Richter nicht gelten: «Beiden Beschuldigten musste klar sein, dass der Geschädigte in Lebensgefahr schwebte. Das war offensichtlich.» Nach einem Blick in den Rückspiegel davon auszugehen, dass andere Hilfe leisten, sei nicht genug. Sie hätten wenigstens mit dem Handy Hilfe anfordern können. (rey)