Es war Mord! Ein Serbe (79) wurde am Donnerstag vom Winterthurer Bezirksgericht zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil er seine Schwiegerenkelin Xenia K.* (†32) auf dem Gewissen hat. Die dreifache Mutter hatte einen Monat vor der Tat die Scheidung eingereicht. Das Clan-Oberhaupt wollte sie zu ihrem Ehemann, seinem Enkel, zurück nach Serbien holen. Als sie ablehnte, erschoss er sie. Ihre kleinste Tochter stand während der Bluttat unmittelbar daneben und musste zusehen. «Es war eine eiskalte Hinrichtung», sagt der vorsitzende Richter in der Urteilsbegründung.
Der ungelernte Landwirt, der mittlerweile auf den Rollstuhl angewiesen ist, unterbricht den Richter immer wieder mit zornigen Zwischenrufen. Erst als der Richter ihm mehrmals mit der Entfernung aus dem Gerichtssaal droht, schweigt er.
«Es war keine Notwehr, sondern eine eiskalte Hinrichtung»
Der Richter stellt bei der Verlesung des Urteils klar, dass die Schilderungen des Serben alles andere als glaubwürdig waren. Der Todesschütze hatte behauptet, das Opfer hätte ihn bedroht, er habe aus reiner Notwehr geschossen. «Sie haben drei Varianten präsentiert, alle lassen sich durch die wissenschaftlichen Gutachten sehr leicht entkräften», sagt der Richter. Und weiter: «Es war keine Notwehr, sondern eine eiskalte Hinrichtung.»
In Variante eins habe die Frau seines Enkels ihn versucht zu erwürgen. Bei Nummer zwei steigerte der Clanchef dann die Dramatik. Er behauptete: «Sie rannte mit einem grossen Messer auf mich zu und schrie, dass sie Gulasch aus mir machen will.» Während der Verhandlung am Dienstag kam Version Nummer drei: Da soll die dreifache Mutter ihn bereits vor dem Haus angegriffen haben.
Bei der Erklärung des Strafmasses wird der Richter deutlich: «Sie haben einer jungen Mutter das Leben genommen, ohne Rücksicht auf Ihre drei Urenkel und den Rest der Familie. Das zeugt von einer Arroganz, die man selten sieht», sagt der Richter. «Wegen der Schwere der Tat muss man auch nicht auf Ihr fortgeschrittenes Alter Rücksicht nehmen.»
«Zeugt von einer Arroganz, die man selten sieht»
Kurz kommentiert der Richter die weiteren Verbrechen des Serben-Opas: «Sie haben vom schweizerischen Sozialsystem eine Viertelmillion Franken unberechtigt bezogen und haben sich damit in Serbien ein schönes Leben gemacht.» Auch das Vergehen gegen das Waffengesetz sei kein Gentleman-Delikt. Der Richter ordnet ein: «Sie haben eine Waffe mit grosser Zerstörungskraft illegal in die Schweiz eingeführt.»
Der Mann im Rollstuhl kassiert 20 Jahre Haft und 15 Jahre Landesverweis. Er muss zudem hohe Genugtuungssummen für die Angehörigen bezahlen. Am meisten bekommt die kleine Tochter, die beim Mord zusehen musste: Sie erhält 75'000 Franken.
*Name geändert
Verhandlung ist abgeschlossen
Nach einer Stunde erklärt der Richter die Verhandlung als abgeschlossen. In der ersten Hälfte erlaubte sich der Angeklagte immer wieder erzürnte Zwischenrufe. Der Richter drohte mehrmals, ihn aus dem Saal zu entfernen. Im letzten Drittel der Verhandlung hat der Verurteilte dann nur noch gehustet.
Kein geringster Anlass für Schuldunfähigkeit
Der Richter hält fest, dass es keinen geringsten Grund für eine Schuldunfähigkeit gibt. «Sie haben genau verstanden, was wir Ihnen vorwerfen. Genau bei den unangenehmen Fragen sind sie ausgewichen oder haben Unverständnis vorgespielt. Das sagt das Gutachten, das haben wir in der Verhandlung festgestellt.»
Richter erklärt das Strafmass
Die 20 Jahre seien angemessen, weil er gleich sechs Schüsse abgegeben hatte, obwohl zwei gereicht hätten. Das Opfer hatte keine Chance, sich zu wehren. «Die Tötung ist vom Verschulden als erheblich einzustufen. Somit ist man schon weit weg von einer Mindeststrafe von zehn Jahren entfernt. Sie haben einer jungen Mutter ohne Grund das Leben genommen, ohne Rücksicht auf ihre drei Urenkel und den Rest der Familie. Das zeugt von einer Arroganz, die man selten sieht», sagt der Richter. «Wegen der Schwere der Tat muss man auch nicht auf das fortgeschrittene Alter Rücksicht nehmen.» Für den Betrug alleine hätte es zwei Jahre gegeben. Vom Schweizerischen Sozialsystem habe er eine Viertelmillion Franken abgeführt und sich damit in Serbien ein schönes Leben gemacht. Auch das Vergehen gegen das Waffengesetz sei kein Gentleman-Delikt. «Sie haben eine Waffe mit grosser Zerstörungskraft illegal in die Schweiz eingeführt und getragen.»
Ergänzungsleistungen erschlichen
Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Serbe sich Ergänzungsleistungen und Prämienverbilligungen unrechtmässig hat auszahlen lassen. Der Verurteilte hatte den Lebensmittelpunkt in Serbien, nicht in der Schweiz. Somit hat er keinen Anspruch auf die Zahlungen. Einzig zum Geld holen und für Ärzteleistungen sei er in die Schweiz gekommen.
Richter: «Das war eine Hinrichtung»
«Sie kamen mit einem geladenen Revolver zu Besuch bei einer Frau mit ihrem Baby. Die Waffe hatte eine krasse Zerstörungsgewalt, das haben sie in Tests selber gesehen.», sagt der Richter. Und weiter: «Mit dem Ballistik-Gutachten lässt sich die Notwehrvariante leicht widerlegen. Wenn man die Bilder ansieht, kommt man zum Schluss, das war eine Hinrichtung.» Auch das Kriterium der Heimtücke sei gegeben: «Die Frau konnte nicht ahnen, was auf sie zukommt. Sie haben die Frau im Beisein eines Kleinkindes erschossen. Das zeugt von einer unglaublichen Kaltblütigkeit. Sie haben mit überhöhter Selbstüberschätzung gottgleich über Leben und Tod bestimmt.»
Begründung für Schuldspruch
Der Richter sagt, dass er in allen Punkte gemäss der Anklage schuldig gesprochen wurde. Also auch für illegales Waffentragen und Sozialhilfebetrug. Der vorsitzende Richter führt aus, dass die Anklage gute Beweise präsentiert hat. «Die drei Versionen der Notwehr, die der Verurteilte vorgebracht hatte, sind leicht zu widerlegen», sagt der Richter. Weder das Messer wurde gefunden, mit dem das Opfer den Verurteilten hätte bedrohen sollen, noch konnte ein unmittelbarer Angriff passiert sein, weil Täter und Opfer noch eine Weile zusammen Kaffee getrunken hatten. Auch die Version, dass das Opfer den Täter bereits vor der Wohnung angegriffen hatte, sei leicht zu widerlegen.
Genugtuung für Kinder
Die drei Kinder und die Eltern der ermordeten Frau erhalten Genugtuung in der Höhe, wie das die Privatkläger gefordert haben. Die Tochter, die die Bluttat miterleben musste, erhält 75'000 Franken. Die beiden weiteren Kinder je 70'000 Franken. Die leibliche Mutter erhält 40'000 Franken, der Stiefvater 35'000 Franken.
Urteil wird eröffnet
Der Vorsitzende des Gerichts verkündet das Urteil. Der 79-jährige Serbe wird des Mordes schuldig gesprochen. Er muss für 20 Jahre ins Gefängnis und wird 15 Jahre des Landes verwiesen.
Gericht ist bereit für Urteilsverkündung
Am Bezirksgericht sind alle Parteien angekommen. Der Angeklagte wartet in einem Vorraum, dass er in den Gerichtssaal kann.
Hinrichtung oder Notwehr?
Am Donnerstagmittag findet die Urteilsverkündung um 16 Uhr statt. Die zentrale Frage ist bei der Urteilsfindung, wie glaubwürdig die Schilderungen des Täters sind. Er war der einzige Tatzeuge. Nach seinen Angaben habe ihn das Opfer mit dem Messer unvermittelt angegriffen, er habe in Todesangst den Revolver gezogen und alle sechs Schuss des Magazins auf sie abgefeuert. Dass er die damalige Ehefrau seines Enkels für ihren Scheidungswunsch töten wollte, bestreitet er. Er plädiert auf Notwehr. Für die Staatsanwaltschaft ist das nur eine Schutzbehauptung. Weder das angebliche Messer wurde gefunden, noch widerspiegelt die ballistische Untersuchung die Erzählung des Beschuldigten. Die Experten haben das Bild einer brutalen Hinrichtung gezeichnet. Die Schüsse wurden aus nächster Nähe abgegeben. Ein Geschoss traf sogar von hinten in Schulter ein und blieb im Oberschenkel stecken. Der Körper des Opfers war also im Sitzen noch vorne gekippt, der Täter schoss von oben in den Rücken. Beim ersten Treffer sass das Opfer zudem auf dem Sofa. Auch belastend: Der Beschuldigte hat die Geschichte über die lange Zeit seit der Attacke in verschiedenen Varianten erzählt. Am Anfang behauptete er, dass ihn seine Schwiegerenkelin erwürgen wollte. An das Messer erinnerte er sich erst später. Trotzdem: Der Verteidiger fordert einen Freispruch vom Mordvorwurf. Einzig für das illegale Waffentragen sieht er eine Strafe vor. Auch den Vorwurf des Sozialhilfebetrugs stellt er nicht als erwiesen dar. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Haftstrafe und Landesverweisung.