Die 49-jährige K. J.* hat ein einziges Martyrium hinter sich. Vor drei Jahren wurde sie im Zürcher Stadtspital Triemli von einer Chirurgin an der Gebärmutter operiert. Statt einer absehbaren Genesung musste sie während Jahren Höllenqualen durchstehen. Der Grund: eine 28 Zentimeter lange Stahlplatte, die beim Schliessen der Bauchdecke vergessen ging.
Wegen des Metallstücks konnte sich J. über Jahre hinweg kaum bewegen und hatte mit starken Schmerzen zu kämpfen. Die Ex-Triemli-Patientin war deswegen bei über einem Dutzend Ärzten. Erst drei Jahre nach der Operation wurde der Fremdkörper schliesslich entdeckt und entfernt.
Triemlispital trägt keine alleinige Schuld
«Der Fall von K. J. ist eine dramatische Kette des Versagens. Alle haben versagt», sagt Dieter Conen, Präsident der Stiftung für Patientensicherheit, zu BLICK. Denn statt einer eingehenden Untersuchung wurde J. immer wieder attestiert, dass die Ursache für ihre Schmerzen psychosomatischer Natur seien. Keiner aber kam auf die Idee, eine Röntgenuntersuchung anzuordnen.
Wegen dieser Umstände sei es zu «leicht», dem Triemlispital die alleinige Schuld für das Martyrium, das J. durchstehen musste, zuzuschreiben.
«Dass ein Instrument im Bauch der Patientin vergessen ging, ist zweifellos gravierend», sagt Conen. Doch: «Mindestens ebenso bedenklich ist die Tatsache, dass etliche Ärzte den Grund für die Schmerzen der Patientin nach der Operation nicht erkannt haben.»
OP-Checkliste gehört zum Standard
Für den Präsidenten der Stiftung für Patientensicherheit ist der Fall von K. J. äusserst tragisch. Und leider auch kein Einzelfall. Denn gemäss einer Erhebung der OECD aus dem Jahr 2013, kommen auf 100'000 Entlassungen aus Schweizer Spitälern elf Fälle, in denen Operationsutensilien im Patienten vergessen gingen.
Laut Conen seien die Zahlen aber mit Vorsicht zu geniessen. Würde eine erneute Erhebung stattfinden, dürfte gemäss Conen die Zahl der Fälle, bei denen Instrumente im Patienten vergessen wurden, deutlich geringer ausfallen. Denn die Union der Chirurgischen Fachgesellschaften habe in der Zwischenzeit einen entsprechenden Branchenstandard unterschrieben.
Sorgfaltspflichtverletzung aber kein Berufsverbot
«Mehr als 90 Prozent der Schweizer Spitäler haben während der letzten zwei Jahre eine OP-Checkliste eingeführt», so Conen. Durch diese soll die Patientensicherheit erhöht werden. Findet eine Operation statt, wird in aller Regel im Vorfeld das dafür benötigte Operationsbesteck in einem OP-Set zusammengestellt.
Wird ein chirurgischer Eingriff nach Checkliste durchgeführt, muss das OP-Set am Ende der Operation entsprechend auf seine Vollständigkeit überprüft werden. Im Fall der Ex-Triemli-Patientin hätten so wohl J.s jahrelange Qualen verhindert werden können.
Laut Conen muss die Chirurgin, die J. operiert hat, kaum mit einem Berufsverbot rechnen, da wohl keine Absicht dahinter stand.
Jedoch hat sie zweifelsohne eine Sorgfaltspflichtverletzung begangen, so Conen. Welche juristischen Konsequenzen der Fall für die Ärztin haben wird, ist noch unklar. «Da der Fall aber publik wurde, dürfte die Ärztin aufgrund ihrer Rufschädigung schon genügend abgestraft sein.»
* Name der Redaktion bekannt