Der Aufruf der Universität Zürich klingt so gar nicht wissenschaftlich: «Sind Sie erfahren in Meditation? Haben Sie keine oder wenig Erfahrung mit bewusstseinsverändernden Substanzen?»
So suchte die Bildungsstätte in den letzten Wochen Freiwillige, die für Versuchszwecke Drogen schlucken. Konkret geht es um den Wirkstoff Psilocybin.
Er ist enthalten in Zauberpilzen, auch bekannt als Magic Mushrooms. Laut Betäubungsmittelgesetz sind sie illegal. Zauberpilze lösen Halluzinationen und Bewusstseinsveränderungen aus, ähnlich wie LSD.
BLICK weiss: Im Dezember und anfangs März fährt jeweils eine zehnköpfige Gruppe für eine Woche in das Begegnungszentrum Felsentor. Das Haus steht auf der Rigi oberhalb des Vierwaldstättersees, abgelegen auf 1130 m ü. M.
Dort werden die Probanden von einem Zen-Lehrer begleitet. Sie meditieren – und schlucken Psilocybin. So wollen die Zürcher Forscher herausfinden, ob die Einnahme in Kombination mit Meditation ein mystisches Erlebnis auslöst.
Der SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi (67), Mitglied der parlamentarischen Gesundheitskommission, ist schockiert: «Drogen benebeln die Wahrnehmung und verwischen die Realität. Solche Versuche sind einfach nur leichtsinnig.»
Die Drogen-Camps brauchten eine Bewilligung des Bundesamtes für Gesundheit. Dort will man jedoch «keine Informationen über laufende Ausnahmebewilligungen» erteilen.
Kopfschütteln bei SVP-Bortoluzzi
Toni Bortoluzzi lässt das nicht gelten. Für die nächste Session plant er einen Vorstoss: «Diese Studie ist absurd. Mystische Erlebnisse kann man auch haben, wenn man in die Kirche geht.»
Leiter der Drogen-Camp-Studie ist Franz Xaver Vollenweider (60). Er ist Professor für Psychiatrie und arbeitet an der Zürcher Klinik Burghölzli. «Wir erforschen die Wirkung von Psilocybin und verwandten Stoffen auf neurobiologische Prozesse im Gehirn seit über 20 Jahren», sagt der Wissenschafter.
Die Meditations-Retreats auf der Rigi seien allerdings ein Novum. Vollenweider: «Die Erkenntnisse können später den Menschen zugute kommen, die eine gestörte Selbstregulation haben.»
Präsident der Stiftung Felsentor ist Vanja Palmers (66), Millionenerbe des Textilunternehmens Calida – und Zen-Priester. Palmers leitet die Meditation im Drogen-Camp auf der Rigi. Warum setzt er sich für das Drogen-Experiment ein?
«Die Grenzen des Selbst lockern»
«Psilocybin kann, ähnlich wie bei der Meditation, die Grenzen des Selbst lockern und unsere Aufmerksamkeit auf die Durchlässigkeit des Phänomens richten», sagt Palmers.
Ganz anderer Meinung ist der Berner Zenlehrer Rico Mark (68). Er sieht überhaupt keinen Sinn im Versuch mit dem Psilocybin. «Solche Tests sind 30 Jahre alt und schon damals brachten sie nicht die erhofften Erkenntnisse», sagt der frühere Gymnasiallehrer.
«Schliesslich muss man hier auf der Erde zurechtkommen, und nicht in irgendwelche kosmischen Höhen verschwinden.»
Für die Uni Zürich, in deren Namen die Drogen-Camps durchgeführt werden, ist alles rechtens. «Die Studie wurde von der kantonalen Ethikkommission sorgfältig geprüft und bewilligt», sagt Professor Erich Seifritz, der Vorgesetzte von Franz Xaver Vollenweider.
«Sie verspricht ein besseres Verständnis des menschlichen Bewusstseins, das bei psychischen Erkrankungen verändert sein kann. Sie ist für die Entwicklung von neuen Behandlungsmethoden höchst relevant, im Bereich der medikamentösen als auch der psychologischen Therapie.»