Erbschleicherei-Verdacht im Spital Wetzikon ZH
Patient tot, Krankenschwester reich

Im Spital Wetzikon hat eine Krankenpflegerin das Haus eines todkranken Patienten vererbt bekommen. Die Spitalleitung hat den Deal bewilligt, obwohl ein hausinternes Reglement aus guten Gründen die Annahme solcher Geschenke verbietet.
Publiziert: 09.09.2017 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 09:25 Uhr
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Krankenpflegerin B. L. hat von einem krebskranken Patienten ein Haus geschenkt bekommen.
Foto: zVg
Flavio Razzino

Sie sind oft Tag und Nacht zusammen, über Jahre hinweg, in den schwierigsten Lebenssituationen: kranke Menschen und ihre Pfleger. Manchmal entsteht daraus eine heikle Beziehung. So im Fall eines krebskranken Patienten und seiner Pflegerin B. L.* im Spital Wetzikon ZH. Vor seinem Tod vererbte er der Pflegerin sein Haus. Sie bewohnte es nie, sondern machte es sofort zu Geld.

Auf dem Papier sind Schenkungen dieser Grössenordnung an Pflegende untersagt. Auch das Spital Wetzikon hat Reglemente, die das verhindern sollen. Dennoch nickte das Spital im Fall von L. die Erbschaft ab.

Fachleute sind entsetzt. «Bei schwerkranken Patienten ist es schwierig zu sagen, ob sie zum Zeitpunkt der Schenkung überhaupt zurechnungsfähig sind», sagt Felix Boller von der Schweizerischen Vereinigung gegen Erbschleicherei. Juristisch sei dies eine Grauzone. L. ist sich keiner Schuld bewusst.

Es klingt wie ein Lottogewinn – mit fadem Beigeschmack. B. L.*, Pflegerin am GZO (Gesundheitsversorgung Zürcher Oberland) in Wetzikon ZH, hat nach dem Krebstod des Patienten Werner L.* (†67) im November 2015 dessen grosses Einfamilienhaus in Rüti ZH geerbt. Noch am selben Tag, als das Haus auf dem Grundbuch auf ihren Namen übertragen wurde, hat sie es an die heutigen Eigentümer weiterverkauft.

Äusserst heikel, denn Krankenpflegerinnen und -pfleger dürfen keine Geschenke von Patienten annehmen. Aus gutem Grund! Patienten stehen in einer empfindlichen Abhängigkeit zum Pflegepersonal.

Auch am GZO Wetzikon ist es den Pflegern untersagt, Geschenke von Patienten anzunehmen. Ausgenommen sind Höflichkeitsgeschenke von geringem Wert, wie dem Anstellungsreglement des Spitals zu entnehmen ist. Kleinere Geldgeschenke gehen in die Kaffeekasse des Teams – selber aber dürfen es die Pflegerinnen und Pfleger nicht einstecken.

Das Testament ist notariell beglaubigt

Umso erstaunlicher, das Pflegerin B. L. ein grosses Haus geschenkt bekommen hat. Dem BLICK bestätigt L., dass sie seit 2012 von der Erbschaft gewusst habe. «Das Testament wurde damals notariell beglaubigt», sagt sie. 

Kennengelernt haben sich Werner L. und die Pflegerin schon 2010 im Spital Zollikerberg ZH. Werner L. musste dreimal pro Woche zu L. zur Dialyse. Sie sagt dazu: «Zwischen uns ist in dieser Zeit eine tiefe Freundschaft entstanden.»

Als die Pflegerin 2012 ans GZO Wetzikon wechselt, hat sie den Kontakt zum Patienten nicht abgebrochen. Trotzdem verschweigt sie der Spitalleitung im Januar 2015, als Werner L. neu nach Wetzikon zur Dialyse kam, dass sie zukünftige Erbin ihres Patienten sei.

Spital hatte nichts einzuwenden – trotz Reglement

«Das GZO wurde erst nach dem Tod des Patienten über das Testament informiert», sagt Sprecherin Dorothe Kienast zu BLICK. Aber auch so hatte die Spitalleitung nichts gegen den Erbantritt von L. einzuwenden. «Es gab eine langjährige persönliche Beziehung zwischen dem Patienten und der Pflegerin», sagt Kienast und begründet damit die pikante Ausnahme von der Regel.

Petra Behrend war Pflegeleiterin in der Zeit, als Werner L. in Wetzikon von B. L. gepflegt wurde. Zu BLICK sagt Behrend, dass sie mehrere Krisengespräche mit Lebenspartnerinnen anderer Patienten der Pflegerin führen musste. Die Partner machten sich Sorgen. Der Vorwurf der Frauen: L. schmeisse sich an die Patienten heran. «Ich weiss aber nicht, ob sie es dabei auf deren Vermögen abgesehen hatte», sagt Behrend heute.

L. streitet ab: «Es hat keinerlei solcher Gespräche gegeben!» Weiter möchte sie und das GZO Wetzikon den Sachverhalt nicht kommentieren. Fakt ist: L. ist bis heute im Spital angestellt. 

* Name der Redaktion bekannt

Pflegeverbände sind entsetzt

Schenkungen sind auch bei der Spitex ein grosses Thema. Weil das Pflegepersonal ältere Patienten häufig bis zu deren Tod betreuen. Bei der Spitex Zürich hat man aber noch nie einen so «krassen Fall» gehabt wie jenen im GZO Wetzikon, bestätigt Geschäftsleitungsmitglied Camila Gruschka. Und: In ihrer Organisation wäre das nie bewilligt worden. 

«Da grösste Geschenk, dass einer Spitex-Pflegerin angeboten wurde, war ein Auto», sagt Gruschka. Die Annahme von Geschenken sei aber grundsätzlich untersagt: «Da sind wir sehr streng!»

Aus ethischer Sicht sind Geschenke sehr heikel

Gruschka erklärt: «Wird diese Regelung nicht strikt angewandt, besteht ein grosses Risiko, dass Patienten bewusst oder unbewusst diskriminiert werden.»

Im Alltag würde das bedeuten: Reiche Patienten könnten eine bessere Behandlung erfahren als arme. Gerade dann, wenn Hoffnung besteht, dass sich spendable Patienten dankbar zeigen könnten. «Aus ethischer Sicht ist die Annahme von teuren Geschenken darum ganz besonders heikel», sagt Gruschka.

Sind die Patienten noch Herr ihrer Sinne?

In die gleiche Kerbe schlägt auch Felix Boller von der Schweizerischen Vereinigung gegen Erbschleicherei. Er kennt das Problem mit beschenkten Pflegern gut. «Es  gibt aber auch noch eine juristisch heikle Komponente in so einem Fall», sagt Boller. Denn gerade bei schwerkranken Patienten sei es schwierig zu sagen, ob sie zum Zeitpunkt der Schenkung in dieser Grössenordnung überhaupt zurechnungsfähig waren. Und: «Ob die Schenkung ohne eigennützige Einflussnahme des Pflegenden stattfand, ist nach dem Tod des Patienten kaum mehr zu beweisen», sagt Boller.

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer weist auf die  Verantwortung der Spitäler hin. «Sie müssen mit konsequenten Regelungen eine zu jederzeit professionelle Pflege sicherstellen», sagt Helena Zaugg, Präsidentin des Zentralvorstandes.

Die Spitex Zürich würde so einen «krassen Fall» wie jenen im GZO Wetzikon nie bewiligen.
Die Spitex Zürich würde so einen «krassen Fall» wie jenen im GZO Wetzikon nie bewiligen.
SPITEX

Schenkungen sind auch bei der Spitex ein grosses Thema. Weil das Pflegepersonal ältere Patienten häufig bis zu deren Tod betreuen. Bei der Spitex Zürich hat man aber noch nie einen so «krassen Fall» gehabt wie jenen im GZO Wetzikon, bestätigt Geschäftsleitungsmitglied Camila Gruschka. Und: In ihrer Organisation wäre das nie bewilligt worden. 

«Da grösste Geschenk, dass einer Spitex-Pflegerin angeboten wurde, war ein Auto», sagt Gruschka. Die Annahme von Geschenken sei aber grundsätzlich untersagt: «Da sind wir sehr streng!»

Aus ethischer Sicht sind Geschenke sehr heikel

Gruschka erklärt: «Wird diese Regelung nicht strikt angewandt, besteht ein grosses Risiko, dass Patienten bewusst oder unbewusst diskriminiert werden.»

Im Alltag würde das bedeuten: Reiche Patienten könnten eine bessere Behandlung erfahren als arme. Gerade dann, wenn Hoffnung besteht, dass sich spendable Patienten dankbar zeigen könnten. «Aus ethischer Sicht ist die Annahme von teuren Geschenken darum ganz besonders heikel», sagt Gruschka.

Sind die Patienten noch Herr ihrer Sinne?

In die gleiche Kerbe schlägt auch Felix Boller von der Schweizerischen Vereinigung gegen Erbschleicherei. Er kennt das Problem mit beschenkten Pflegern gut. «Es  gibt aber auch noch eine juristisch heikle Komponente in so einem Fall», sagt Boller. Denn gerade bei schwerkranken Patienten sei es schwierig zu sagen, ob sie zum Zeitpunkt der Schenkung in dieser Grössenordnung überhaupt zurechnungsfähig waren. Und: «Ob die Schenkung ohne eigennützige Einflussnahme des Pflegenden stattfand, ist nach dem Tod des Patienten kaum mehr zu beweisen», sagt Boller.

Der Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und -männer weist auf die  Verantwortung der Spitäler hin. «Sie müssen mit konsequenten Regelungen eine zu jederzeit professionelle Pflege sicherstellen», sagt Helena Zaugg, Präsidentin des Zentralvorstandes.

 

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