Der als Carlos bekannte junge Mann, der als Jugendstraftäter wegen einer üppig ausgestalteten Sonderbehandlung für Schlagzeilen sorgte, steht erstmals als Erwachsener vor dem Richter. Der 19-Jährige muss sich wegen zwei verwüsteten Zellen im Massnahmezentrum Uitikon und wegen eines Zwischenfalls an der Zürcher Langstrasse verantworten, bei dem er einen Widersacher bedrohte.
Carlos' Zerstörungswut im Massnahmezentrum Uitikon führte im Januar und Februar 2014 zu einem Sachschaden von knapp 9000 Franken. Fotos aus der übel zugerichteten Zelle wurden damals in den Medien publik. Dies führte ebenfalls zu einem Strafverfahren. Beim Vorfall an der Langstrasse wurde niemand verletzt, es blieb bei der Drohung mit einem zwanzig Zentimeter langen Messer. Weil Carlos jedoch vor der Polizei flüchtete, soll er zusätzlich wegen Hinderung einer Amtshandlung angeklagt werden.
Der Staatsanwalt fordert nun vor dem Bezirksgericht Dietikon eine unbedingte Freiheitsstrafe von 11 Monaten plus eine Geldstrafe von 15 Tagessätzen à 30 Franken. Wie die «NZZ» heute berichtet, soll die Gefängnisstrafe laut Anklageschrift zugunsten einer ambulanten Behandlung aufgeschoben werden.
Will heissen: Carlos soll zurück in die Therapie! Damit das möglich ist, schlägt der Staatsanwalt nicht eine Sondermassnahme für junge Erwachsene vor, sondern eine ambulante Therapie für psychisch schwer gestörte oder suchtkranke Täter. Er will Carlos also quasi für verrückt erklären lassen.
Carlos' Verteidiger Marcel Bosonnet, der einst auch dem venezolanischen Terroristen Carlos (bürgerlicher Name: Ilich Ramírez Sánchez) als Anwalt zur Seite stand, will sich zu seinen Strafanträgen noch nicht äussern. Das Gericht entscheidet am 28. August.
Carlos, der eigentlich anders heisst, zum Islam konvertierte und sich heute Ibraheem nennt, geriet im Sommer 2013 durch einen SRF-Dok-Film in die Schlagzeilen. Im Rahmen eines Porträts über Jugendstaatsanwalt Hansueli Gürber wurde bekannt, dass die Sonderbetreuung des verurteilten Messerstechers monatlich 29'000 Franken verschlingt. Kurz darauf wurde das Sondersetting abgebrochen und Carlos in ein Massnahmenzentrum für junge Straftäter eingewiesen. Monate später entschied das Bundesgericht: Carlos kommt frei. (noo)