Ellikon am Rhein ächzt unter Mückenplage
«Wir müssen uns zuhause verschanzen»

Hunderttausende Blutsauger belagern das Dorf. Jetzt fordern Politiker den Einsatz von Gift.
Publiziert: 18.07.2016 um 22:28 Uhr
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Aktualisiert: 12.10.2018 um 17:36 Uhr
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Fährmann Roy  Wegmann (68) bringt Wanderer von Ellikon über den Rhein. Für die Fahrgäste hat er Anti-Mücken-Spray dabei. «Damit sie im Wald nicht all zu schlimm verstochen werden.»
Foto: Peter Mosimann
Roland Gamp, Christoph Lenz und Sermîn Faki

Sie steigen auf, formieren sich zu Schwärmen, fliegen waghalsige Manöver. Ein faszinierendes Schauspiel vor schönster Kulisse. An dem sich in Ellikon am Rhein ZH keiner erfreut. «Die Mücken sind einfach nur lästig», sagt Ernst Friedrich (80). «Schon nach kurzer Zeit an der frischen Luft ist man komplett verstochen.»

In den Wald geht der Jäger nicht mehr. «Dort ist es am schlimmsten, die Viecher fressen einen fast auf.» In den Fenstern hat er Netze eingebaut. «Lässt man die nur einen Spalt weit offen, hat man sofort die ganze Wohnung voll.»

Optimale Bedingungen

Die rund 100 Dorfbewohner kämpfen derzeit gegen eine Mückenplage. Weil die Temperaturen optimal waren und das nahe Naturschutzgebiet teils unter Wasser steht, hatten die Larven der «Überschwemmungsfliege» optimale Bedingungen. Aus Hunderttausenden haben sich flugfähige Blutsauger entwickelt. Die jetzt auf Beutezug sind.

«Wir müssen uns regelrecht zuhause verschanzen», sagt Ursula Hinnen (69). Seit über 30 Jahren lebt sie im Dorf – so schlimm sei es noch nie gewesen. «Sogar meine Pferde leiden unter den Stichen.» Sie gibt ihnen nun Knoblauchpulver. «Dann stinken sie so fest, dass die Mücken nicht mehr angreifen.»

Auch Fährmann Roy Wegmann (68) hat Massnahmen getroffen. «Ich biete meinen Gästen bei der Fahrt über den Rhein immer Antibrumm an, damit sie geschützt sind.» Peter Hofmann (53) und Claire Rembeaud (50) haben sich nicht eingesprüht. «Leider», sagen sie und kratzen sich die Arme. «Wir waren wandern. Sobald wir stehen geblieben sind, haben sich die Mücken auf uns gestürzt.»

Einwohner fühlen sich im Stich gelassen

Die zerstochenen Einwohner fühlen sich im Stich gelassen. «Der Kanton muss endlich etwas tun», sagt Lehrer Marcel Kern (49). «Diese Mücken schaden der Lebensqualität im Dorf.»

Konrad Langhart (52) hat die Klagen erhört. Der Präsident der Zürcher SVP hat im Kantonsrat einen Vorstoss eingereicht, indem er Sofortmassnahmen fordert. «Was spricht gegen den Einsatz des Mikrobiologischen Produkts Vectobac», will er unter anderem von der Regierung wissen.

Das Gift wirkt tödlich gegen die Mückenlarven. Es gilt als umweltverträglich, kommt im Tessin oder Fribourg zum Einsatz. Aber nicht in Ellikon am Rhein. Biologen hatten die Anzahl der Larven im Naturschutzgebiet neben dem Dorf gemessen. Sie überstieg den festgelegten Grenzwert nicht, um Vectobac sprühen zu dürfen.

«Umwelt-Bürokraten am Werk»

«Ich habe den Eindruck, dass da Umwelt-Bürokraten am Werk sind», sagt Langhart, der selbst in der Region lebt. «Von Zürich aus ist unsere Mückenplage natürlich weit weg. Die Frage ist doch aber, welche Bedürfnisse wichtiger sind: Jene der Bürger oder jene der Mücken.»

Alexander Mathis sieht das weniger drastisch: «In der betroffenen Gegend ist das Aufkommen dieses Jahr kleiner, als ich erwartet hatte», sagt der Professor für Parasitologie von der Universität Zürich. Der Schwellenwert für den Einsatz von Biovac sei vernünftig gesetzt. «Das Ellikerfeld ist ein Naturschutzgebiet, wo Gifte nur ausnahmsweise ausgebracht werden dürfen.»

Die Überschwemmungsmücken leben drei bis vier Wochen. «Das heisst, dass der Spuk bald vorbei ist», so Mathis. Doch nicht für lange. «Bei der normalen Hausmücke steht die Saison noch vor der Tür.»

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