Das Zürcher Obergericht hat Abdulrahman L. (66) im September 2020 zu Recht vom Vorwurf des Mordes an seiner Ehefrau Amira L. (†41) freigesprochen. Das hat das Bundesgericht entschieden.
Die Argumente der beschwerdeführenden Zürcher Oberstaatsanwaltschaft verfingen vor dem Bundesgericht nicht - soweit deren Begründungen überhaupt den gesetzlichen, inhaltlichen Anforderungen entsprachen. Die Staatsanwaltschaft stellte sich auf den Standpunkt, dass die beiden verdeckten Ermittler den Bogen nicht überspannt und das Fairnessgebot nicht verletzt hätten.
Und selbst wenn dies geschehen sein sollte, wäre das Geständnis des Beschuldigten trotzdem verwertbar, so die Staatsanwaltschaft. Allerdings wäre die Grenzüberschreitung in einem solchen Fall bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Dies geht aus einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervor.
«Wahrsagerin» erzwang Geständnis
Laut der ursprünglichen Anklage soll Abdulrahman L. seine 41-jährige Ehefrau vor der Wohnung in Zürich-Oerlikon ZH mit fünf Schüssen regelrecht hingerichtet haben. Die Frau hatte eine aussereheliche Beziehung mit einem Banker, der Ehemann war vor «Eifersucht zerfressen», wie die Staatsanwältin am Prozess vor dem Bezirksgericht Zürich im August 2018 sagte. Er wurde damals zu 14 Jahren Haft verurteilt.
Weil die Indizien gegen den Ehemann nicht ausreichten, baute ein verdeckter Ermittler eine «Freundschaft» mit dem Verdächtigen auf. Später wurde eine «Wahrsagerin» - ebenfalls eine verdeckte Ermittlerin - in den Fall involviert. Zusammen mit ihrem Kollegen machte sie sich den Aberglauben und die Angst des Verdächtigen vor bösen Geistern zu Nutze.
Der Verdächtigte fürchtete sich vor dem bösen Geist des Opfers und suchte Schutz für seine beiden Kinder und sich. Die Ermittler boten ihm diesen Schutz. Dafür sollte er jedoch reinen Tisch machen und sein Herz öffnen. Zermürbt vom laufenden Strafverfahren und der Angst, legte der Mann gegenüber seinem «Freund» schliesslich ein Geständnis ab.
Das Bundesgericht hält fest, dass der Einsatz von Ermittlern in einem Fall wie dem vorliegenden grundsätzlich zulässig sei. Ein gewisses Mass an Täuschung sei Teil solcher Operationen und rechtmässig. Auch dürften Aussagen von einer Person erlangt werden, mit denen sie sich selbst belaste.
«Unzulässiger Druck ausgeübt»
Eine verdeckte Ermittlung darf laut Bundesgericht jedoch nicht dazu führen, das Recht eines Beschuldigten auf Aussageverweigerung und die Bestreitung von Vorwürfen auszuhebeln, indem die Person zu Aussagen genötigt werde.
Wie die Zürcher Vorinstanz ist die Strafkammer des Bundesgerichts der Auffassung, dass ein unzulässiger Druck auf den Verdächtigen ausgeübt worden sei. Die Ermittler hätten auf eine Situation hingearbeitet, in der der Verdächtigte ein Geständnis als einzig möglichen Ausweg gesehen habe, um die Gefahr durch den bösen Geist abzuwenden.
Der Mann habe das Geständnis nicht aus eigener Initiative und freien Stücken gemacht, sondern unter grossem psychischen Druck. Der Beweiswert von solchen Geständnissen sei fraglich, schreibt das Bundesgericht. Je nach Mass des ausgeübten Drucks könnten selbst Unschuldige dazu gebracht werden, sich strafrechtlich zu belasten oder gar ein falsches Geständnis abzulegen. (SDA)