Die Anzeige von Irene R. (†35) – das letzte SMS von Killer Danilo N. (†38)
Chronik eines angekündigten Mordes

Die Schüsse beim UBS-Büro in Zürich erschienen wie eine Tat im Affekt. Nun stellt sich heraus: Danilo N. hatte die Attacke auf seine Frau Irene R. eiskalt geplant. Die Italienerin muss es geahnt haben: Noch am Tattag erstattete sie Anzeige gegen ihren Mann.
Publiziert: 28.02.2018 um 23:36 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 23:20 Uhr
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Fataler Deal: In diesem Waffenladen tauschte Danilo N. sein Gewehr gegen eine Pistole.
Foto: Yvonne Leonardi
Myrte Müller und Michael Sahli

Das Drama beginnt bereits Mitte November. Danilo N.* (38) taucht das letzte Mal in seiner Stammbeiz Snoopy auf. Dann verschwindet er. «Wir dachten, er sei längst wieder in der Schweiz», sagt Wirt Lorenzo. Doch Danilo hockt in einem dunklen Zimmer im Haus seiner Eltern in Supersano (I). Dass es ihm schlecht geht, wissen nur ganz wenige. Seine Eltern, sein Arzt – und enge Freunde. 

Zwischen Weihnachten und Neujahr taucht Danilo N. plötzlich bei Bruno Corrado auf. Der Bürgermeister von Supersano ist seit Jahren sein Arzt. Es gehe ihm nicht gut, offenbart Danilo. Bruno Corrado erinnert sich: «Er sagte, er sei zurück. Die Arbeit in der Schweiz sei nichts für ihn. Frau und Kinder aber würden in der Schweiz bleiben.» Der Mediziner verschreibt Danilo Tabletten – Antidepressiva: «Danilo wirkte sehr niedergeschlagen, wie in eine Finsternis gehüllt.» 

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Frage nach Tabletten

Am 13. Februar, zehn Tage vor der Bluttat, sind Danilos Eltern zufällig bei Bruno Corrado. Da ruft Danilo seine Eltern an und lässt sich das Telefon an den Arzt weitergeben. «Muss ich noch die Tabletten nehmen?», fragt er. «Natürlich! Sonst wirken sie nicht», antwortet Corrado. 

Niemand von seinen Freunden weiss, was Danilo N. vorhat. Er fährt einen Tag vor den Schüssen in Zürich mit den öffentlichen Verkehrsmitteln ins 60 Kilometer entfernte Novoli bei Lecce. Zum Waffenladen Due Punti Sport. Am Vormittag betritt er das Geschäft. Unter dem Arm hält er eine seiner vier Jagdflinten. Die Vogeljagd war seine Leidenschaft. 

Er will eine Pistole haben. «Wir kannten Danilo. Er war ein Stammkunde. Da er einen Waffenschein hat, haben wir ihm die Pistole verkauft», sagte der Besitzer gestern zu BLICK. Danilo sei total cool gewesen. Keine Spur von Nervosität oder Anspannung, erinnert sich die Verkäuferin.

Danilo N. steckt die Beretta Kaliber 9x21 Millimeter ein. Er begibt sich an den Bus-Bahnhof von Lecce, löst ein Ticket nach Zürich und steigt am späten Nachmittag in den Nachtbus. 

SMS auf der langen Busfahrt nach Zürich

Während seiner Reise verabschiedet er sich per SMS von seinen Freunden. Es sind alarmierende Texte darunter. So schreibt er am späten Donnerstagabend seinem Kollegen Amedeo: «Sollte mir etwas passieren, bitte kümmere Dich um meine Eltern.» Einen anderen Freund habe Danilo gebeten:«Sei bitte am Freitag um 14.30 Uhr bei meinen Eltern und trinke einen Kaffee bei ihnen.» So heisst es im Dorf. 

Dreien seiner Freunde schreibt er: «Ich gehe auf eine lange Reise.» Am Freitag um 9.27 Uhr erhält Snoopy-Wirt Lorenzo folgende Nachricht: «Entschuldige, dass ich nicht mehr vorbeikam, um mich zu verabschieden. Aber es ist mir da einiges dazwischengekommen. Jedenfalls bist Du ein echter Freund. Wir sehen uns dann.»

Lorenzo, Wirt der Bar Snoopy, des Stammlokals von Danilo N.: Auch ihm hatte er ein letztes SMS geschickt.
Foto: Yvonne Leonardi

Lorenzos Sohn Andrea schickt er wohl die letzte Nachricht. Um 14.15 Uhr (eine Viertelstunde vor den Schüssen) schreibt Danilo N. auf Whatsapp: «Du bist mein bester Freund. Ich habe Dich sehr gerne.» Andrea schreibt zurück: «Gleichfalls, Danilo.» Und fragt verwundert nach: «Bist Du okay?» Die Antwort bleibt aus. Danilo N. stand zu diesem Zeitpunkt bereits vor der UBS mit gezückter Pistole. 

Am Tattag geht Irene R. noch zur Polizei

Auch Irene R.* (†35) muss am Tattag eine böse Vorahnung gehabt haben. Sie geht zur Polizei – um Anzeige gegen ihren späteren Killer einzureichen! Er soll tätlich gegen sie vorgegangen sein. Staatsanwalt Roland Geisseler bestätigt BLICK: «Am Tag der Tat hat sie bei der Polizei Anzeige eingereicht. Dies wegen Übergriffen, die teils Monate zurücklagen – und auch zur Trennung des Paares führten. Zu diesem Zeitpunkt wusste sie aber nicht, wo er sich genau aufhielt.»

Wegen der Unklarheit über den Aufenthaltsort des Killers wird die Befragung auf Wunsch von Irene R. verschoben – auf diese Woche. Zu spät.

*Namen der Redaktion bekannt

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