Trotz Ausschaffungs-Initiative kein Landesverweis, weil die Personenfreizügigkeit wichtiger ist: Die Wogen gingen hoch, als das Zürcher Obergericht im Oktober 2017 dieses Urteil zugunsten des deutschen Schlägers, Clemens S.* fällte (BLICK berichtete). Nun musste es seinen Entscheid auf Geheiss des Bundesgerichtes revidieren. Der Deutsche wird nun doch für fünf Jahre des Landes verwiesen.
Der vorbestrafte deutsche Hilfsarbeiter ohne festen Wohnsitz in der Schweiz hatte sich an einem gewaltsamen Angriff beteiligt: Für 200 Franken - die er dann doch nie erhielt - erteilte er zusammen mit fünf anderen Schlägern einem Mann «eine Lektion». Er verpasste dem Opfer mehrere Ohrfeigen.
Fünf Jahre Verweise für Katalogtaten
Das Bezirksgericht Winterthur verurteilte den einschlägig Vorbestraften dafür mit einer bedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten sowie mit einem Landesverweis von fünf Jahren. Dies, weil ein Angriff eine so genannte «Katalogtat» darstellt.
Seit 2016 werden solche Delikte automatisch mit einem Landesverweis belegt. Andere Beispiele für «Katalogtaten» sind etwa vorsätzliche Tötung, schwere Körperverletzung, Betrug, Brandstiftung oder sexuelle Handlungen mit Kindern.
Diese Liste geht auf die Ausschaffungs-Initiative der SVP zurück, der die Stimmbevölkerung im November 2010 zugestimmt hatte. Das entsprechende Gesetz ist seit dem 1. Oktober 2016 in Kraft.
Clemens S. wehrte sich gegen Ausschaffung
Der Schläger, der heute 29 Jahre alt ist, akzeptierte zwar die Strafe, wollte den Landesverweis aber nicht hinnehmen, weil seine Eltern in der Schweiz wohnen. Er gelangte ans Obergericht und hatte Erfolg: Dieses nahm den Landesverweis zurück, mit der Begründung, dass das Freizügigkeitsabkommen mit der EU Vorrang habe.
Ehemalige SP-Nationalrätin Chantal Galladé (46) enervierte sich: «Ich sehe nicht ein, warum man diese Person nicht ausschafft. Das ist eine völlig missbräuchliche Auslegung der Personenfreizügigkeit», sagte sie.
Gleicher Meinung war SVP-Nationalrätin Natalie Rickli (42): «Das scheint mir ein politisches Urteil des Obergerichts und ein Affront gegenüber Volk und Parlament, welches das Gesetz zur Ausschaffungsinitiative ausgearbeitet hat», sagte die Winterthurerin. Auch alt Bundesrat Christoph Blocher äusserte sich kritisch. «In jedem anderen Land ist es so, dass Landesrecht das höchste Recht ist und Völkerrecht bricht. Ich weiss nicht, was das für Richter sind.»
Fünf Jahre Verweis und 2500 Franken Gerichtsgebühren
Die Staatsanwaltschaft zog den Fall vor Bundesgericht und erhielt Recht. Im November 2018 entschieden die Lausanner Richter, dass es keinen Konflikt zwischen Freizügigkeitsabkommen und Schweizer Recht gebe. Der Mann habe keinen festen Wohnsitz in der Schweiz und gehe hier keiner Arbeit nach. Der Ausweisung stehe nichts entgegen.
Das Obergericht musste seinen umstrittenen Entscheid deshalb auf Geheiss des Bundesgerichtes revidieren. Wie aus dem Urteil hervorgeht, erhält Clemens S. nun einen Landesverweis von fünf Jahren, dazu kommen 2500 Franken Gerichtsgebühr. (SDA/man)
*Name der Redaktion bekannt