Ende April fegt ein Föhnsturm mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde über den Zürichsee und sorgt für enormen Wellengang und Chaos auf dem Gewässer. Die Folge: Die Wasserpolizei muss insgesamt 16 losgerissene Schiffe wieder einsammeln – viele davon sind beschädigt. Im Seebecken werden zudem vier Schiffe und ein Motorboot an Land gespült.
Ein Segelboot trifft es am schlimmsten: Es kentert, füllt sich mit Wasser und sinkt vor Zollikon ZH auf den Grund des Sees – 67 Meter tief! Für den Besitzer des Segelboots bricht eine Welt zusammen – das Boot war über 60 Jahre in seinem Besitz. Als Tauchlehrer Diego Cintula (32) vom Untergang des Segelboots hört, bietet er seine Hilfe an. «Wir tauchten zuerst nur, um die persönlichen Gegenstände des Eigentümers zu bergen.»
Als sie das Segelboot in 67 Meter Tiefe jedoch finden, stellen er und seine Kollegen fest, dass dieses noch in sehr gutem Zustand ist. Plötzlich kam ihnen die Idee, das Boot wieder nach oben zu holen.
Die Tiefe ist für ihn kein Problem. «Es war der Stolz, der uns gepackt hat. Wenn etwas im Zürichsee liegt, holen wir es raus», sagt er zu BLICK. Zusammen fischten sie das Boot am Freitag aus dem Wasser. In ein paar Wochen soll es sogar wieder einsatzbereit sein, sagt Cintula.
«Fünf Tauchgänge waren für die Bergung nötig»
«Die grosse Herausforderung war für uns, das 3-Tonnen-Gefährt ohne Schaden nach oben zu bringen», sagt der Tauchlehrer. Das Boot steckte nämlich bereits im Schlick des Seegrunds fest. Dazu kam, dass man in einer solchen Tiefe nur etwa 15 Minuten Zeit zum Arbeiten hat, bevor die Luft knapp wird. Deshalb waren für die Bergung insgesamt fünf Tauchgänge nötig.
«Mit Hebekissen sorgten wir für Antrieb und zogen dann das Boot mit einer Seilwinde nach oben», sagt Cintula. Anschliessend sei es vom Seerettungsdienst Horgen in Richtung Hafen abgeschleppt worden. Dort wurde es leer gepumpt und schliesslich wieder an den Standplatz gezogen.
An der Bergungsaktion seien von der Planung bis zur Umsetzung insgesamt zwölf Leute beteiligt. «Wir sind schon ziemlich stolz auf uns, dass wir das so hingekriegt haben», sagt Cintula. Auch der Besitzer des Segelboots sei überglücklich. Denn: In ein paar Wochen dürfte er damit wieder auf dem Zürichsee herumschippern.
Polizei taucht nicht tiefer als 40 Meter
Doch warum wurde das Boot nicht von der Polizei geborgen? «Ein gesunkenes Schiff wird nur dann geborgen, wenn davon eine Gefährdung ausgeht», sagt Florian Frei von der Kantonspolizei Zürich. Zum Beispiel bei einer drohenden Gewässerverschmutzung – dies war hier nicht der Fall.
Das gesunkene Boot wäre aber ohnehin zu tief gelegen: «Die Taucher der Kantonspolizei Zürich tauchen aus sicherheitstechnischen Gründen nicht tiefer als 40 Meter», sagt Frei. Wracks, die tiefer liegen, berge man in Zusammenarbeit mit Partnerorganisationen und dem Einsatz technischer Hilfsmittel.