Wo einst eine Küche war, prangt eine kahle Mauer. Vom Lavabo, dem Kochherd und dem Backofen fehlt jede Spur. Denn wegen eines Wasserschadens im Wohnblock von Hilde W.* (67) in der Stadt Schaffhausen musste das ganze Inventar herausgerissen werden.
Das war vor zwei Monaten! Vom einstigen Kochplatz der Rentnerin zeugen herunterhängende Stromkabel und stillgelegte Wasserrohre. Ihre Mahlzeiten brutzelt sich W. seither auf einem Notkocher, den sie auf ihrer Waschmaschine platziert hat. «Ich halte es kaum aus. Sehen Sie sich diese Sauerei an!», ärgert sich die Frau.
«Ich fühle mich absolut hilflos!»
«Wenn ich etwas abwaschen möchte, muss ich dafür auf die Toilette gehen. Ich kann so nicht leben», fährt es aus ihr heraus. Hilde W. fügt an, sich absolut hilflos zu fühlen.
Nicht nur wegen der fehlenden Küche: Die einst in der Gastronomie tätige W. leidet unter einer fortschreitenden Demenz. Gegenüber BLICK kann sie sich daher nicht erklären, weshalb ihre Küche überhaupt fehlt. Oder wie lange sie schon weg ist.
«Seit zwei Monaten klagt sie mir ihr Leid – teils mehrfach täglich», erklärt eine Nachbarin. Grausam: Hilde W. erschrickt wegen der fehlenden Küche jeden Tag wieder von Neuem. Jürg Tanner, Präsident des Schaffhauser Mieterverbandes, ist schockiert. Hier gehe es um eine Wohnung, die sich nur noch zum Schlafen nutzen lasse.
Ein einzigartiger Fall – auch für den Mieterverband
«Bei einem Millionär hätte man die Geschichte binnen einer Woche geregelt», ist Tanner überzeugt. «So etwas darf es bei uns in der Schweiz einfach nicht geben.»
Als BLICK der Verwaltung von Hilde W. die Schock-Bilder der Küche zeigt, ist auch Firmenchefin M.G.** geschockt: «Schrecklich, nicht zumutbar und eigentlich auch nicht zu entschuldigen.»
Sie versucht trotzdem eine Erklärung: Der Wasserschaden betreffe vier Parteien im Block. In allen Wohnungen seien die schweren Schäden schnellstmöglich durch Arbeiter beseitigt worden. Danach hätten die Probleme erst richtig begonnen.
Verwalterin äussert Bedauern über Küchenpanne
«Die Besitzerin der Liegenschaft, die in Italien lebt, hat uns mehrfach das Budget gekürzt» , klagt M.G. Zudem seien Versicherungen und eine Stockwerkeigentümerschaft ebenfalls beteiligt, was alles in die Länge ziehe. Es dürfte deshalb Juni werden, bis die neue Küche ausgeliefert wird!
Jetzt soll schnellstmöglich ein Provisorium gestellt werden. «Das hätten wir schon früher getan, wenn wir davon überhaupt gewusst hätten.» Bei einem Hausbesuch seitens der Verwaltung sei die Rentnerin leider nicht anzutreffen gewesen. Eine genaue Rückmeldung der beauftragten Arbeiter soll ausgeblieben sein.
Protest erst nach zwei Monaten
Auch die Mitarbeiter der lokalen Spitex bleiben untätig, obwohl sie zweimal am Tag die Wohnung betreten, um Tabletten auszuliefern. Und auch D.S.**, der Hilde W. eigentlich als Beistand unterstützen sollte, kann nicht viel vorweisen. Erst vor wenigen Tagen, also nach fast zwei Monaten, protestiert er schriftlich bei der Verwaltung über die «unzumutbaren Zustände».
Doch erst als BLICK interveniert, kommt Bewegung in die Sache. Nun soll es schnell gehen und Hilde W. bald wieder fliessend Wasser und einen Herd kriegen.
*Name geändert
**Name bekannt