Unterlagen der Kesb der Stadt Zürich wurden in der Justizvollzugsanstalt Pöschwies zu Büchern gebunden. (Archivbild)
Foto: KEYSTONE/ENNIO LEANZA

Das sagt Carlos, der berüchtigste Straftäter der Schweiz, nach Veröffentlichung der Anklageschrift
«Verwahrung ist schlimmer als die Todesstrafe»

Carlos sitzt zwar im Gefängnis. Doch zur Ruhe kommt der 24-Jährige dort nicht. Im Gegenteil: Auch hier rastet der Schläger regelmässig aus, geht mehrmals auf Aufseher los und droht, sie zu töten. Das ganze Ausmass enthüllt nun die Anklageschrift.
Publiziert: 23.10.2019 um 18:47 Uhr
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Aktualisiert: 24.10.2019 um 07:58 Uhr
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Carlos muss Ende Oktober vor Gericht.
Foto: Blick
Johannes Hillig

Er hat keinen Respekt. Vor niemandem. Selbst hinter Gittern ist keiner vor Carlos* (24) sicher. Gefängnisleiter, Aufseher, Mithäftlinge. Der Kickboxer geht auf jeden los, der ihm vor die Fäuste kommt – ohne Rücksicht auf Verluste.

Für seine Ausraster muss der berüchtigte Schläger nun erneut vor den Richter. In der kommenden Woche findet der Prozess am Bezirksgericht Zürich statt. Gestern wurde die Anklageschrift publiziert. Sie enthüllt auf 26 Seiten, wie der Dauer-Delinquent im Knast wütet.

Konkret geht es um 29 Vorfälle vom Januar 2017 bis Oktober 2018. Darunter versuchte schwere Körperverletzung, mehrfache Sachbeschädigung und mehrfache Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte.

Prügel-Attacke auf Gefängnismitarbeiter

Immer wieder bedroht Carlos Aufseher mit dem Tod, beleidigt sie aufs Übelste, spuckt und schlägt nach ihnen. Besonders schlimm wiegt ein Vorfall vom Juni 2017 in der JVA Pöschwies. Während eines Gesprächs mit Gefängnismitarbeitern dreht Carlos durch, geht auf einen Aufseher los, prügelt auf ihn ein. Zwei heftige Schläge treffen sein Gegenüber am Kopf. In der Anklage heisst es: «Ohne Vorwarnung, willentlich blitzschnell und mit Wucht.» Als sein Opfer stürzt, seine Arme schützend über den Kopf legt, verpasst Carlos ihm weitere Schläge. Erst sechs Männer können die Attacke stoppen. Der Aufseher ist nach diesem Vorfall mehrere Monate arbeitsunfähig.

Regelmässig randaliert Carlos, wo er kann – verursacht so Schäden von rund 40'000 Franken. So auch im August 2018. Er zertritt eine Fensterscheibe, verwüstet seine Zelle in der JVA Pöschwies. Scherben liegen auf dem Boden verteilt. Carlos ritzt seinen Namen in die Verglasung der Türe. Und den Schriftzug: «KILL EM ALL» (dt. «Bringt sie alle um»).

Mit Schutzschild und Taser in die Zelle

Die Wärter wagen sich da schon längst nicht mehr ohne Schutz in die Zelle. Acht Männer werden aufgeboten. In der Anklageschrift heisst es zur Eskalation: «Die Aufseher zogen eine Schutzausrüstung an, ein Aufseher wurde mit einem Schutzschild und ein anderer mit einem Taser ausgerüstet.» Als die Truppe die Zelle betritt, steht Carlos auf dem Bett. Hinter seinem Rücken hält er eine circa 30 Zentimeter grosse Scherbe. Er ruft den Wärtern zu: «Kommt rein, ich bringe euch um!» So weit kommt es nicht.

Selbst Mithäftlinge sind im Knast nicht sicher vor Carlos. Einem korpulenten Insassen (150 Kilo schwer) schlägt er zum Beispiel leicht in den Bauch, weil er «ein guter Boxsack sei». Als das Opfer solche Dinge untersagt, kassiert es Schläge. 

Carlos selbst nahm viele der Auseinandersetzungen anders wahr. Und: Drohungen und Beschimpfungen meine er nicht so. Das sagte er bei einem Telefonat mit der «NZZ» im Frühling. Er gibt dem Justizsystem die Schuld an den Eskalationen. Carlos damals: «Wenn man einen Menschen isoliert, entmenschlicht man ihn.»

Carlos: «Verwahrung schlimmer als Todesstrafe»

Carlos sieht sich als Opfer. «Wenn man wie ein Tier behandelt wird, kann man nicht erwarten, dass man sich wie ein Mensch aufführt», sagt er in einem Telefon-Interview mit der «Rundschau». Und Carlos fordert: «Sie sollen mich einfach korrekt behandeln.» Denn der Grund für seine Ausraster sei der Zustand im Knast. «Hier drin ist Wut und Hass meine Nahrung. Hier herrscht kein menschlicher Zustand.»

Carlos sagt, dass im Gefängnis der «Wahnsinn der einzige geistige Zustand» sei. Zur möglichen Strafe sagt er: «Eine Verwahrung ist schlimmer als die Todesstrafe». Und er kündigt an: «Ich bin ein Kämpfer. Ich kämpfe bis in den Tod.»

Carlos' Vater hält weiter zu seinem Sohn, rät ihm immer wieder: «Bleib ruhig.» Doch das kann Carlos offenbar nicht. Nun steht er nächste Woche wieder vor Gericht. Sein Prozess startet am 30. Oktober.

* Name geändert

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