Das taugt die neue Velo-Vorzugsroute in Zürich
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Blick-Journalist Benkö testet:Das taugt die neue Velo-Vorzugsroute in Zürich

«Das ist doch irrwitzig»
Stadt will Quartier-Parkplätze für Velos opfern – Anwohner wehren sich

Auf einem kurzen Streckenabschnitt in Zürich-Wollishofen sollen über hundert Parkplätze der blauen Zone für eine neue Velovorzugsroute gestrichen werden. Tausende weitere sollen folgen. Jetzt wehren sich die Anwohner.
Publiziert: 14.04.2023 um 00:30 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2023 um 08:32 Uhr
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An der Kilchbergstrasse in Zürich sollen über 100 Parkplätze verschwinden – trotz einer ruhigen Verkehrslage.
Foto: Sebastian Babic
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Sebastian BabicReporter Blick

Der politische Auftrag an die Stadtregierung ist klar. Über 70 Prozent der Stadtzürcher haben sich für die Volksinitiative «Sichere Velorouten für Zürich» ausgesprochen. Diese beinhaltet auch den Abbau zahlreicher Parkplätze in der blauen Zone zur Förderung des Veloverkehrs.

So breit abgestützt diese Pläne politisch sein mögen, bei den Betroffenen sorgen sie für rote Köpfe. Ob in Oerlikon, Schwamendingen oder Höngg: Einwohner und Verbände fluten das Stadtzürcher Tiefbauamt seit Wochen mit Einsprachen.

Auch in Zürich-Wollishofen regt sich Widerstand. Hier sollen auf einem kurzen Streckenabschnitt über hundert Parkplätze gestrichen werden. Ein Augenschein vor Ort zeigt: Bei den betroffenen Abschnitten handelt es sich um zwei beschauliche Quartiersträsschen, unterbrochen von einer Hauptverkehrsachse. Keine 2000 Motorfahrzeuge passieren die Strecken laut Planauflage der Stadt Zürich täglich. Von Konflikten zwischen Velo- und Autofahrern keine Spur.

Anwohner Fritz Klein (73) sagt zu Blick: «Man wird den Eindruck nicht los, dass hier am grünen Tisch etwas entschieden wurde, wovon die Beteiligten wenig Ahnung haben.» Er hätte sich gewünscht, dass die Anwohner zu den Plänen befragt worden seien. «Gemeinsam hätte man es angenehmer für alle gestalten können. Durch die aktuelle Planung verschlechtert sich die Verkehrssituation auf den beiden Streckenabschnitten sogar. Das ist doch irrwitzig!» Klein befürchtet eine Zunahme des Umweg- und Suchverkehrs durch die neue Streckenführung mit Einbahnstrassen.

Widerstand formiert sich

Gemeinsam mit fünf weiteren Mitstreitern hat er deshalb per Flyer auf Einsprachemöglichkeiten zu den Veloplänen aufmerksam gemacht: «Einige von uns sind hier aufgewachsen, einige kennen sich seit Kindertagen. Wir wollen nur das Beste für unser Quartier», sagt er. Mit dem Flyer wolle man die Menschen mobilisieren und informieren.

Immer mehr Volksinitativen für Langsamverkehr

In Schweizer Grossstädten herrscht ein Kampf um die Strassen. Da der begehrte Platz rar ist, werden immer häufiger auch öffentliche Parkplätze geopfert, um Raum für Velorouten, Begegnungszonen und Langsamverkehr zu schaffen.

In der Stadt Zürich sollen nach den Plänen der Regierung bis zu 6000 öffentliche Parkplätze gestrichen werden. Das entspricht einer Fläche von etwa zehn Fussballfeldern.

Auch in Bern sollen laut der Energie- und Klimastrategie der Stadt rund die Hälfte der 17'000 öffentlichen Parkplätze abgeschafft werden. Als Teil der Strategie soll auch der Preis für Anwohnerparkkarten fast ums doppelte steigen.

Weiter ist man indes in St. Gallen. Ein Gegenvorschlag zu zwei «Stadtklima-Initiativen» des Vereins umverkehR wurde vom Parlament abgesegnet. In den nächsten zehn Jahren werden rund 120'000 Quadratmeter Strasse in Flächen für Langsamverkehr und ÖV umgewandelt.

Auch in der Stadt Basel verbucht umverkehR erste Erfolge. Dort könnten 140'000 Quadratmeter Fläche in Zukunft dem Langsamverkehr zugutekommen.

Auch in mittelgrossen Städten wie Winterthur ZH, Biel BE und Chur GR wurden Volksinitiativen mit genügend Unterschriften eingereicht. Die Initianten fordern darin unter anderem, dass jährlich ein Prozent der Strassenflächen in den Städten begrünt werden oder dem Langsamverkehr zugutekommen.

In Schweizer Grossstädten herrscht ein Kampf um die Strassen. Da der begehrte Platz rar ist, werden immer häufiger auch öffentliche Parkplätze geopfert, um Raum für Velorouten, Begegnungszonen und Langsamverkehr zu schaffen.

In der Stadt Zürich sollen nach den Plänen der Regierung bis zu 6000 öffentliche Parkplätze gestrichen werden. Das entspricht einer Fläche von etwa zehn Fussballfeldern.

Auch in Bern sollen laut der Energie- und Klimastrategie der Stadt rund die Hälfte der 17'000 öffentlichen Parkplätze abgeschafft werden. Als Teil der Strategie soll auch der Preis für Anwohnerparkkarten fast ums doppelte steigen.

Weiter ist man indes in St. Gallen. Ein Gegenvorschlag zu zwei «Stadtklima-Initiativen» des Vereins umverkehR wurde vom Parlament abgesegnet. In den nächsten zehn Jahren werden rund 120'000 Quadratmeter Strasse in Flächen für Langsamverkehr und ÖV umgewandelt.

Auch in der Stadt Basel verbucht umverkehR erste Erfolge. Dort könnten 140'000 Quadratmeter Fläche in Zukunft dem Langsamverkehr zugutekommen.

Auch in mittelgrossen Städten wie Winterthur ZH, Biel BE und Chur GR wurden Volksinitiativen mit genügend Unterschriften eingereicht. Die Initianten fordern darin unter anderem, dass jährlich ein Prozent der Strassenflächen in den Städten begrünt werden oder dem Langsamverkehr zugutekommen.

Der Aufruf hat sich aus Kleins Sicht ausgezahlt. Rund 480 Einsprachen gegen die geplante Velovorzugsroute sind beim Tiefbauamt der Stadt eingegangen, wie dieses Blick bestätigt.

Fritz Klein betont, es gehe ihm auch um die allgemeine Verkehrssicherheit. Den Parkplätzen komme dabei eine wertvolle Funktion zu: «Durch die versetzte Position tragen die geparkten Autos automatisch zu einer Verkehrsberuhigung bei», gibt er zu bedenken. Als Beispiel führt er die Kilchbergstrasse an, wo zahlreiche Autos parkiert sind. «Dort mehr als 30 km/h zu fahren, ist aktuell kaum möglich.»

Schneller von A nach B: Künftig soll ein Netz von Velovorzugsrouten die Stadt Zürich durchziehen.
Foto: zvg

Selbst Velofahrer äussern Zweifel

Für viele Anwohner, die auf ihr Auto angewiesen sind, führen die Pläne zu ernsthaften Problemen im Alltag. Bruno Ryser (85) sagt: «Meine Frau ist nicht mehr ganz fit, deshalb brauchen wir unser Auto. Aus meiner Sicht ist es kontraproduktiv, so viele Parkplätze abzubauen.» Nicht jeder habe eine private Garage und auch die Zufahrt zu den Liegenschaften würde durch die neue Verkehrsführung erschwert.

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«Bisher gab es hier immer genügend bezahlbare Parkplätze in der blauen Zone. Private Parkplätze in der Nähe kosten zum Teil das Zehnfache.»
Anwohner Roelof B.
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Roelof B.*, der gerade sein Auto belädt, als er mit Blick spricht, machen vor allem die hohen Kosten zu schaffen. «Bisher gab es hier immer genügend bezahlbare Parkplätze in der blauen Zone. Private Parkplätze in der Nähe kosten zum Teil das Zehnfache.» B. lässt das Auto häufig stehen, benutzt es nur für längere Fahrten am Wochenende. «Ich arbeite in der Stadt und fahre immer mit dem Velo.»

Selbst überzeugte Velofahrer sehen die Konflikte. «Diese Parkplätze sind im Quartier schlichtweg nötig!», konstatiert ein Anwohner, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. «Ich fahre aus Überzeugung Velo, bin nicht auf mein Auto angewiesen – anders als viele Menschen aus der Gegend.»

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Sicherheit am falschen Ort

Auch Fritz Klein sagt, er sei für sichere Velorouten. Das Problem trete aber vor allem auf Hauptverkehrsachsen auf. «Bei ruhigen Quartierstrassen besteht kein Handlungsbedarf», ist er überzeugt. Weil aber viele Hauptverkehrsachsen dem Kanton gehörten, vermutet er, dass die Stadt mit ihrer Initiative einfach dort ansetze, wo sie eine Handhabe habe. Ohne Rücksicht auf die Bevölkerung vor Ort.

Entlang der betroffenen Strecke in Wollishofen stehen mehrere Schulhäuser. Als die Glocke am späteren Nachmittag zum Ende der Unterrichtszeit schlägt, entsteht kurzzeitig Gewusel. Zahlreiche Kinder strömen nach draussen. Wenige Minuten später herrscht wieder Stille. Zumindest vordergründig. Der Protest der Anwohnerschaft im Hintergrund gegen die Pläne der Stadt bleibt laut.

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