Danilo N. (†38) erschoss seine Frau (†35) und hinterlässt zwei Mädchen
Wie bringt man sowas den Kindern bei?

Nach dem Beziehungsdelikt an der Europaallee ist die kleine Familie von Irene R. (†35) und Danilo N. (†38) für immer zerstört. Zwei kleine Mädchen (4 und 9) bleiben nach der Bluttat zurück. Wie geht es für sie jetzt weiter?
Publiziert: 05.03.2018 um 17:00 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 14:36 Uhr
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Zelte der Spurensicherung decken den Tatort in der Europaallee ab.
Foto: Keystone
Helena Schmid

So viel Schmerz soll kein Kind erleiden. Am Freitag vor einer Woche erschoss Danilo N.* (†38) seine Ehefrau Irene R.* (†35) vor der UBS-Filiale an der Europaallee in Zürich. Anschliessend richtete sich der gebürtige Italiener selbst. Zurück bleiben die gemeinsame Tochter (4) und ihre Halbschwester (9), Irenes Kind aus erster Ehe.

Die Staatsanwaltschaft Zürich hat den Fall den Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (Kesb) weitergegeben. Die dürfen sich zum Verbleib der beiden Mädchen nicht äussern. Kesb-Präsident Michael Allgäuer: «Allgemein kann ich jedoch festhalten, dass es die Aufgabe der Kesb ist, für die rechtliche Vertretung eines Kindes durch einen Vormund zu sorgen, wenn beide Eltern verstorben sind.»

Kinderpsychologe Heinrich Nufer (77) war jahrelang Leiter des Marie-Meierhofer-Instituts für das Kind.
Foto: Blick

Kinderpsychologe Heinrich Nufer (77) hat immer wieder Kinder betreut, deren Eltern durch ein tödliches Beziehungsdrama aus dem Leben gerissen wurden. Der Experte sagt zu BLICK: «Für ein Kind ist ein solches Erlebnis unglaublich einschneidend. Ihre Umgebung, ihr Alltag, alles ist plötzlich anders.»

Kinder machen sich Vorwürfe

Ein neues Zuhause, neue Bezugspersonen, ein neuer Tagesablauf – die Veränderungen im Umfeld folgen meist Schlag auf Schlag. Dem Kind bleibt keine Zeit, das Erlebte zu verarbeiten. «Das hat in vielen Fällen Zukunftsängste zur Folge. Die Eltern sind nicht mehr da, und das Kind fragt sich: Wie geht es mit mir weiter?», sagt Nufer.

Hinzu kämen ein ständiges Hin und Her zwischen Wut und Trauer und die Frage, ob die Katastrophe nicht hätte verhindert werden können. «Es kommt schon bei ganz kleinen Kindern vor, dass sie sich für das Geschehene mitverantwortlich machen», so der Experte. 

Was kann man also tun, dass ein Kind nicht an den eigenen Ängsten, Vorwürfen und Gefühlen zerbricht? Nufer: «Psychologische Betreuung ist in solchen Fällen unverzichtbar. Falls das Kind nicht darüber sprechen will, haben Kinderpsychologen wirksame, spielerische Methoden, mit denen es seine Gefühlslage und Ängste ausdrücken kann.»

Experte rät: «Geschwister nicht trennen»

Und auch wenn Veränderungen unumgänglich sind, sollte doch so viel wie möglich gleich bleiben. «Sind Geschwister betroffen, sollten diese unbedingt zusammenbleiben dürfen. Zudem gibt es dem Kind Halt, wenn es weiterhin die gleiche Schule oder Kindergarten besuchen darf und die bekannten Gschpänli um sich herum hat», sagt Nufer.

Angehörigen, die mit den Kindern in engem Kontakt stehen, rät der Psychologe: «Es ist wichtig, dass Verwandte und Bezugspersonen wahrnehmen, wie es im Kind aussieht, und seine Gefühle ernst nehmen. Kleine Gesten, wie die Hand zu geben, drücken emotionale Nähe aus – die braucht ein Kind in einer solchen Situation.»

Im Fall des Beziehungsdelikts zwischen Irene R. und Danilo N. hat die Tochter (4) nicht nur beide Eltern verloren – es war zudem noch ihr eigener Papa, der für den Verlust verantwortlich ist. Wie bringt man so etwas einem Kind bei?

«Fragen sollen ehrlich beantwortet werden»

Die Hintergründe des Dramas, so Heinrich Nufer, seien vorerst zweitrangig. Es gilt, an die Realität des Kindes anzuknüpfen. «Mama und Papa sind nicht mehr da – das ist die Realität. Aus welchen Gründen so etwas geschehen ist, spielt vorerst keine zentrale Rolle. Zunächst soll das Kind Abschied nehmen dürfen», erklärt Nufer.

Verheimlichen sollte man die Hintergründe aber auf keinen Fall. «Es ist entscheidend, wie viel das Kind schon weiss und welche Fragen es bedrängen. Grundsätzlich sollte man die Fragen in einer für das jeweilige Entwicklungsalter verständlichen Form ehrlich beantworten oder von einem Kinderpsychologen beantworten lassen», sagt der Experte abschliessend.

* Namen der Reaktion bekannt

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