Bordell-Räumung in Zürich
«Die Polizei wirft meine Möbel aus dem Fenster»

An der Kanonengasse räumen Polizei und ERZ das Bordell «Tam Tam». Der rausgeworfene Betreiber ist schockiert, die Prostituierten stehen leicht bekleidet auf der Strasse.
Publiziert: 12.12.2011 um 09:32 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 02:38 Uhr
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Polizei und ERZ räumen das Bordell Tam Tam an der Kanonengasse.
Foto: Corinne Landolt
Von Corinne Landolt

Mit mehreren Einsatzwagen und einem grossen Güselwagen von Entsorgung- und Recycling Zürich ERZ fährt die Polizei heute Morgen an der Kanonengasse vor dem «Tam Tam»-Club vor. «Sie kamen mit dem Rammbock und überraschten uns im Schlaf», so Bordell-Betreiber Gino Paul Esposito. «Sie haben uns aus dem Bett geholt und gesagt, wir sollen mitnehmen, was wir können.»

Die Polizisten räumen gründlich und schnell: sie werfen sämtliche Möbel aus dem Fenster auf den Innenhof. Die ERZ-Mitarbeiter tragen die Sofas, Matratzen und Stühle zum Güselwagen und entsorgen sie. Nur Computer und Fernseher tragen die Polizisten per Hand nach draussen und verstauen sie in einem Kastenwagen.

Als «hemdsärmelig» bezeichnet Esposito die Räumung. «Die Polizisten traten auf wie Bauarbeiter.»

Zu früh geräumt?


«Die Personen, die sich dort aufhielten, haben keinen gültigen Mietvertrag», begründet Polizei-Sprecher Marco Bisa die Räumungsaktion. «Sie haben eine faire Frist bekommen, um ihre Sachen wegzubringen.»

Esposito bestätigt, dass er die Räumungsanzeige vergangene Woche erhalten habe, doch ein Richter habe seinem Fristerstreckungsgesuch am Freitag stattgegeben. «Die Aktion war also illegal.»

Niklaus Bannwart, der Leitende Gerichtsschreiber der Aufsichtsbehörde über Stadtammannämter, stellt gegenüber Blick.ch klar, dass einer Beschwerde gegen die Ausweisungsanzeige am Freitag aufschiebende Wirkung erteilt worden sei. Über die Beschwerde und das darin enthaltene Fristerstreckungsgesuch sei jedoch noch nicht entschieden worden. Die Polizei sei noch gleichentags durch den Stadtammann über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung informiert worden

«Persönliche Abrechnung»


Die Polizei habe am Freitag von diesem Entscheid erfahren, bestätigt Marco Cortesi von der Stadtpolizei Zürich. Doch da es zwischen Bewohnern und Vermieter keinen gültigen Mietvertrag gegeben hätte, habe man sich an den Beschluss des Obergerichts gehalten. «Demnach ist ein Aufschub gar nicht möglich, weil kein Mietvertrag mehr bestehe und somit keine Fristerstreckung verlangt werden kann. Die Polizei hat korrekt gehandelt.»

Espositos Anwalt, der nicht mit Namen genannt werden will, teilt diese Sicht nicht: «Dieser Polizeieinsatz ist fragwürdig und wohl eine persönliche Abrechnung. Wir prüfen rechtliche Schritte.»

Dies nützt den Prostituierten und den Bewohnern der Kanonengasse 7, die heute Morgen unsanft aus dem Haus geworfen sind, nichts mehr: Sie müssen mit den wenigen Kleidungsstücken, die sie mitnehmen konnten, eine neue Bleibe finden. Anders Bordell-Betreiber Esposito, der weiss, wo er hingeht: «Ich flieg jetzt in die Karibik.»

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