«Ich werde von Corona-Ignoranten bedrängt!»
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Bloggerin in Angst:«Ich werde von Corona-Ignoranten bedrängt!»

Bloggerin und Model Silvia Meier-Jauch in Angst
«Ich werde von Corona-Ignoranten bedrängt!»

Verschwörungsideologen und Impfgegner bombardieren die Zürcher Bloggerin Silvia Meier-Jauch mit Nachrichten. Das Diskutieren hat sie aufgegeben.
Publiziert: 13.05.2020 um 22:51 Uhr
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Aktualisiert: 14.05.2020 um 08:48 Uhr
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Selbst im eigenen Umfeld erlebt Silvia Meier-Jauch Menschen, welche die Covid-19-Pandemie für harmlos halten.
Foto: Selina Berner
Fabienne Kinzelmann

Als Silvia Meier-Jauch (37) nicht mehr schlafen kann, reicht es ihr. Im Minutentakt vibriert ihr Handy. Neue Nachrichten, Kommentare und E-Mails. In denen etwa steht, dass sie «manipuliert» sei und «aufwachen» solle. Dass Bill Gates die Weltgesundheitsorganisation (WHO) gekauft habe und sich an «Zwangsimpfungen» bereichern wolle. «Willst du dich auch zwangsimpfen lassen?», schreiben Menschen, die Meier-Jauch in den sozialen Netzwerken bedrängen. Ein anderer: «Ist dir bewusst, dass wegen der wirtschaftlichen Folgen des Lockdowns viele den Hungertod sterben werden?»

Fassungslosigkeit, Wut. Das sind die Gefühle, die Silvia Meier-Jauch hat, wenn sie von diesen Nachrichten erzählt. In ihrer Wohnung in Schlieren ZH empfängt sie BLICK – mit Abstand, versteht sich. Seit die Fallzahlen sinken, ist Meier-Jauch etwas entspannter geworden, traut sich auch wieder selbst zum Einkaufen in den Supermarkt.

Nach Ostern fing der Hass an

Die Social-Media-Managerin und Gemeinderätin gehört zur Risikogruppe, setzt sich für andere Rheumabetroffene und Autoimmunerkrankte ein. Weil sie als Bloggerin und Handicap-Model für eine Unterwäschemarke in der Öffentlichkeit steht und in den sozialen Netzwerken aktiv ist, ist sie es gewohnt, Kritik oder unerwünschte Avancen auszuhalten.

Doch was in den vergangenen Wochen an Hass auf sie einprasselt, ist eine neue Kategorie. «Es sind nur wenige, aber sie sprechen sich teilweise untereinander ab und schreiben sehr viele und lange Kommentare», sagt Meier-Jauch. «Es», das sind Verschwörungsideologen und Impfgegner, die die Covid-19-Pandemie und ihre Folgen für eine Lüge halten.

Meier-Jauchs Geschichte ist eine von Solidarität – und deren Ende. Schleichend habe sie die Veränderungen im eigenen Umfeld beobachtet. Mit der Ankündigung der ersten Lockerungen nach Ostern fing es an. «Bekannte, mit denen ich mich zu Beginn der Krise noch für Einkäufe abgesprochen habe, unkten plötzlich, die Corona-Krise werde schlimmer dargestellt, als sie ist.»

«Toleranz gegenüber Intoleranten bringt nichts»

Und dann ist da diese Petition. «Die kam von Eltern, die forderten, den Schulbetrieb SOFORT mit voller Stundenzahl wieder aufzunehmen.» Meier-Jauch, selbst Mutter einer Achtjährigen, die an diesem Mittwoch noch im Pyjama und Retromops Fluffy (3) durch die Wohnung tobt, ist sprachlos. «Wer gesund ist, versteht gar nicht, was das für Beklemmungen auslösen kann.»

Auf Instagram und Facebook diskutiert sie anfangs noch geduldig. Fragt, hört zu. Will sie sich nicht auf eine Diskussion einlassen, schreiben ihr Menschen, sie respektiere andere Meinungen nicht. «Immer nur tolerant sein gegenüber Intoleranten bringt nichts. Die eigene Meinung ist gut und recht, aber damit darf man anderen nicht schaden», sagt Meier-Jauch. Das aber machen die Menschen, die trotz Versammlungsverbot an Protesten teilnehmen und dabei die Abstandsregeln nicht einhalten. In Zürich, St. Gallen, Basel und Bern waren es am vergangenen Samstag bereits mehrere Hundert Teilnehmer. Für das nächste Wochenende befürchten die Sicherheitsbehörden noch grössere Aufläufe.

Experten beobachten bei «Corona-Leugnern» das gleiche Phänomen wie bei Menschen, die den Klimawandel für Unfug halten: eine unverrückbare, ideologische Einstellung, die nichts mit sachlicher Kritik an Wissenschaft oder politischen Massnahmen zu tun hat. Dass Spitäler etwa nur deswegen nicht überlastet waren, weil Kontaktverbote und Abstandsregeln die Ausbreitung des Virus verlangsamten, lassen Verschwörungsgläubige in der Corona-Krise nicht als Argument nicht gelten.

Die Bloggerin sperrt Verschwörungstheoretiker nun konsequent

«Der Witz ist doch: Alle Demo-Teilnehmer werden spätestens im Alter selbst zur Risikogruppe gehören», sagt Meier-Jauch kopfschüttelnd. Ihr tun die Aussagen weh, die sie erreichen. Kurz war sie davor, sich ganz aus den sozialen Netzwerken zurückzuziehen. Dann beschloss sie, zurückzuschlagen.

Jetzt sperrt konsequent jeden, der Hass und Verschwörungsideologien unter ihren Fotos und Beiträgen verbreitet. Gut 30 Profile seien das bislang. Was nach wenig klingt, bestimmt Meier-Jauchs Leben seit Wochen. «Ich verstehe nicht, warum die Menschen bei den Protesten nicht wenigstens die Abstandsregeln einhalten.» Die Corona-Massnahmen seien ein Akt der Solidarität für Alte oder Vorerkrankte wie sie – auch wenn man sich um sich selbst keine Sorgen mache. Oder, anders gesagt: «Glaub von mir aus an die Verschwörung – aber wasch dir doch bitte trotzdem die Hände.»

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