Der schönste Montag ihres Lebens
3:50
Der schönste Montag:Der schönste Montag ihres Lebens

BLICK-Reporterin Anastasia Mamonova (32) holt in neun Stunden nach, was zwei Monate lang verboten war
Der schönste Montag ihres Lebens

Die Läden öffnen ihre Türen, die Restaurants stellen die Tische raus, und in den Fitnesscentern laufen wieder die Maschinen heiss. BLICK-Reporterin Anastasia Mamonova (32) zieht durch Schaffhausen und kompensiert zwei Monate Corona-Lockdown.
Publiziert: 11.05.2020 um 23:24 Uhr
1/20
BLICK-Reporterin Anastasia Mamonova zieht am ersten Post-Corona-Tag durch Schaffhausen.
Foto: Blick
Anastasia Mamonova

Der Lockdown tat zur Abwechslung eigentlich mal ganz gut. Weniger Stress und mehr Zeit für sich. Doch nach einer Pause vom Alltag ist nun auch eine Abwechslung vom Corona-Lockdown wieder sehr willkommen.

Seit heute sind nun wieder alle Läden, Restaurants und Fitnessstudios geöffnet. Es gibt einiges nachzuholen. Acht Wochen voller Entbehrungen waren genug. Für meinen perfekten Tag gehts nach Schaffhausen. Ein Montag wie aus dem Bilderbuch – trotz Regen.

9.30 Uhr: Statt Brunch auf dem Balkon gibts zum Start in den Tag einen Zmorge im Café Noordlicht. Auf meine Pancakes und den Smoothie warte ich an einem Zweiertisch zwischen zwei Plexiglas-Scheiben. Das ist die Lösung für die BAG-Regeln. Die Kellnerin trägt eine Mundschutzmaske und Handschuhe. Kurz nach mir betritt ein junger Geschäftsmann den Laden. Er setzt sich am weitesten weg von mir – zwischen zwei weiteren Plexiglas-Scheiben. Die restlichen Gäste nehmen lieber draussen Platz. Ich lausche dem Raunen der Kaffeemaschine hinter der Theke, während ich die Pancakes im Nu verschlinge. Endlich einfach zurücklehnen und geniessen. Endlich kein Abräumen und Abwaschen mehr.

10.30 Uhr: Zuerst das Vergnügen, dann die Arbeit. Gesättigt betrete ich das Fitnessstudio Clever Fit. An jedem zweiten Laufband und Stepper hängt ein Absperrband. Ich schwinge mich auf ein Velo und trete in die Pedalen. Eigentlich ist es noch relativ angenehm, mit so viel Freiraum zu trainieren. Auch die meisten Kraftgeräte stehen frei. Das Einhalten des Abstands klappt hier ohne Problem. Von mir aus könnte es immer so sein.

14 Uhr: «Vorher hatten wir gerade einen Mega-Ansturm. Jetzt ist es grad ruhiger geworden.» So begrüsst mich die Verkäuferin des Mode- und Wohnaccessoires-Shops Lieblings in der Schaffhauser Altstadt. Mit frisch desinfizierten Händen kann ich mich seelenruhig umsehen. Da stören auch nicht die auf den Boden geklebten Markierungen. Obwohl ich nichts kaufe, ist es ein befriedigendes Gefühl, die kleinen Deko-Artikel wieder in die Hand zu nehmen, statt im Schaufenster zu bestaunen. Auch wieder mal Kleider direkt anzuprobieren statt eine halbe Ewigkeit auf die Onlinebestellung zu warten.

15 Uhr: Weiter gehts in das Büchergeschäft von Georg Freivogel. Auch hier steht direkt am Eingang eine Desinfektionsflasche. Auch hier hat es, ähnlich wie an den anderen Orten, wenig Kundschaft. Und: Auch hier geniesse ich es, mir in Ruhe Bücher anzuschauen, ohne direkt in eine Menschenmenge zu laufen. Mein Blick fällt auf Niklas Luhmanns «Systemtheorie der Gesellschaft» direkt in Eingangsnähe. Ein Werk, das mich praktisch durch mein ganzes Bachelorstudium an der Universität Luzern begleitete. Nach kurzer Nostalgie lege ich den Band zurück und schnappe mir dafür zwei andere Bücher. Beim Bezahlen weiss ich zunächst gar nicht, wie ich sie Herrn Freivogel reichen soll, und schiebe sie etwas unbeholfen unter der Plexiglas-Wand hindurch. Er packt die Bücher ein und gibt mir den Sack an der Seite zurück. Gewusst wie.

17 Uhr: Nach einem kurzen Spaziergang am Rhein entlang knurrt der Magen. Wegen des Regens bleiben die Tische draussen leer. Sorgen um einen freien Platz muss ich mir an diesem ersten Post-Corona-Tag aber keine machen. Im Restaurant Güterhof lasse ich mich in den roten, weichen Sessel fallen und bestelle mir eine Fischknusperli-Bowl plus Champagner. Wenn schon, denn schon. Endlich keine Lieferpizza im Schlabberlook auf dem Sofa mehr. Sondern gut gekleidet und geduscht – wieder mal auswärts essen. Es fühlt sich fast so an, als hätte es die Krise nie gegeben. Nur der Kellner mit Mundschutz und die Kellnerin mit Desinfektionsflasche in der Hand erinnern daran, dass der Restaurantbesuch noch längst nicht selbstverständlich ist. Umso mehr geniesse ich meine Zeit hier.

Mein Fazit: Lange Schlangen sind überall Fehlanzeige. Egal ob im Café, Restaurant oder Laden – der grosse Ansturm bleibt aus. Für die Geschäfte sind die wenigen Leute möglicherweise noch ein Fluch. Für mich an meinem perfekten Tag eher ein Segen.

Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?