An der kurzen Gerichtsverhandlung räumte der Schweizer unumwunden ein, den fraglichen Brief im September 2023 verfasst und an den Stadtzürcher Gesundheitsvorsteher geschickt zu haben. Und: «Ich stehe zu meinem Schreiben.»
Der 65-Jährige befindet sich seit langem im Clinch mit dem Zürcher Gesundheitswesen. Er sei jahrzehntelang falsch behandelt worden, heute sei er gesundheitlich erledigt. «Man hat meine Lebensqualität ermordet», sagte er vor Gericht. Sein Immunsystem sei angeschlagen, alle seine Gelenke seien kaputt. Er glaube nicht, die verschiedenen anstehenden Operationen noch überleben zu werden.
Dabei hätte alles anders kommen können, zeigte sich der IV-Rentner überzeugt. 2003 gab es gemäss seinen Ausführungen im Stadtspital Waid in einem Bericht eine abweichende Meinung eines Oberarztes.
Wenn diese bekannt geworden wäre, wäre er anders, richtig behandelt worden, sagte der Mann. Doch der Bericht sei dann verschwunden. Seither würden sich alle gegenseitig decken, sie würden lügen, ihn vertrösten und warten, bis alles verjährt sei.
Anzeichen dafür sieht der 65-Jährige viele: So habe er beispielsweise Stadtrat Hauri einmal an einem Spitalfest direkt konfrontiert - kurz darauf sei die Frühpensionierung des Spitaldirektors bekannt geworden. «Er wusste zuviel.»
Dem Bezirksgericht waren die medizinischen Akten, die vielen erfolgten Schreiben und die vielfach geäusserten Anschuldigungen natürlich bekannt. «In diesem Verfahren geht es einzig um Ihren Brief, dessen Wortwahl die Staatsanwaltschaft als strafrechtlich relevant einstuft», merkte der zuständige Einzelrichter mehrmals an.
Weshalb er denn Worte wie «Lügner» und «Mörder» verwendet und den Brief nicht anders formuliert habe, fragte der Richter während der Befragung nach. Er wisse nicht, wie er sich noch wehren solle, entgegnete der 65-Jährige. Hauri sei für ihn nach der gesamten Geschichte genau das, was er geschrieben habe.
Das Bezirksgericht Zürich sprach in der Folge den Mann wegen Beschimpfung schuldig. Mit den gewählten Bezeichnungen wurde Hauri in seiner Persönlichkeit als ehrbarer Mensch verletzt: «In ihrem Brief haben Sie sich nicht mehr nur unhöflich ausgedrückt, sondern Sie haben Ihre Verachtung in strafbarer Weise zum Ausdruck gebracht.»
Das Gericht verhängte, wie von der Staatsanwaltschaft beantragt, eine für eine Probezeit von zwei Jahren aufgeschobene Geldstrafe von 15 Tagessätzen zu 80 Franken. Auf eine Busse verzichtete es aber.
Das Opfer werde zum Täter gemacht, kritisierte der 65-Jährige während der Urteilsverkündung. Ob er das Urteil ans Obergericht weiterziehe, liess er noch offen. Das sei aber wohl zu teuer, und er werde nach all der Korruption ohnehin vorher elendig sterben.