Ein paar Jugendliche spielen «Wahrheit oder Pflicht». Ein 14-Jähriger ist an der Reihe, wählt Pflicht. Seine Aufgabe: Er muss seinen erigierten Penis fotografieren, das Bild an gleichaltrige Mädchen verschicken. Die Konsequenz: Der Teenager wird wegen Pornografie verurteilt.
Es ist nur ein Beispiel von vielen, mit denen sich die Oberjugendanwaltschaft Zürich beschäftigt. Und die Fälle werden von Jahr zu Jahr mehr. So wurden letztes Jahr 84 Jugendliche wegen Pornografie angezeigt, wie die Direktion der Justiz und des Innern in einer Mitteilung schreibt.
In jedem dritten Fall spielte selbsterstelltes pornografisches Material eine Rolle. Und noch eine Veränderung zeigt sich: Waren es früher primär Mädchen, die sich nackt in expliziter Pose fotografierten, filmen sich vermehrt auch männliche Teenager bei sexuellen Handlungen.
Aufnahmen geraten in die falschen Hände
Die weitreichenden Konsequenzen sind vielen zu wenig bewusst. Erstellen Jugendliche unter 16 Jahren explizite Videos oder Fotos von sich bei sexuellen Handlungen, gilt dies rechtlich gesehen als Kinderpornografie. Sind solche Aufnahmen erst einmal im Umlauf, können sie sich unkontrollierbar weiterverbreiten, geraten unter Umständen in falsche Hände und können als mögliches Druckmittel eingesetzt werden.
So ging der Anteil der online begangenen Nötigungen im vergangenen Jahr zwar zurück und betrug noch 18 Prozent (2017: 30 Prozent), bei jeder zehnten Nötigung spielten aber Nacktbilder oder selbst erstellte Videos von sexuellen Handlungen eine Rolle.
Videos in denen Menschen und Tiere getötet werden
Neben den pornografischen Inhalten haben auch die Anzeigen wegen Gewaltdarstellungen zugenommen. Wurden 2016 noch 18 Jugendliche wegen Gewaltdarstellungen verzeigt, waren es 2017 bereits 43 und im vergangenen Jahr sogar 56 minderjährige Personen.
In knapp jedem zweiten Fall wurden die Gewaltdarstellungen auf dem Smartphone abgespeichert, in drei von zehn Fällen mittels Nachricht weitergeleitet oder in einen Chat gestellt. Verbreitet sind vor allem Videos, welche massive Gewaltanwendungen wie die Tötung von Menschen und Tieren zeigen. Vermehrt lässt sich aber auch beobachten, dass sich Jugendliche bei Schlägereien filmen lassen und die Aufnahmen.
Beschimpft wird wieder mehr offline
Das Smartphone ist zwar allgegenwärtig. Trotzdem verzeichnet die Oberjugendanwaltschaft einen Rückgang in punkto Beschimpfung, Verleumdung und üble Nachrede im digitalen Raum. Diese würden wieder vermehrt offline stattfinden.
So sank der prozentuale Anteil von Ehrverletzungen via Chat von 66 auf 42 Prozent, wobei insbesondere Verzeigungen wegen Ehrverletzungen in Gruppenchats markant zurückgingen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Drohungen; wurde 2017 noch jede dritte Drohung online ausgestossen, war es im vergangenen Jahr noch jede fünfte.
Auch wenn sich weniger Jugendliche wegen Ehrverletzungen, Drohung und Nötigung im digitalen Raum vor den Jugendanwaltschaften des Kantons Zürich verantworten mussten, wäre es noch verfrüht, von einer Trendwende zu sprechen. Trotz zahlreichen präventiven Anstrengungen sind sich viele Jugendliche der Tragweite ihres Onlineverhaltens zu wenig bewusst. (jmh)