Was war bloss in den Taxichauffeur Josef S.* (66) gefahren? Nach einem törichten Streit rammt er mitten auf der Autobahn seinen ausgestiegenen Kontrahenten. Und rast mit ihm auf der Motorhaube davon.
Mit bis zu 131 km/h. Wie durch ein Wunder überlebt der Deutsche (31) den über zwei Kilometer langen Höllenritt.
Aus Angst, an der Leitplanke zerquetscht zu werden, lässt er sich schliesslich auf die Fahrbahn fallen – bei Tempo 125. Der Mann hat unglaubliches Glück: Er erleidet nur
ein leichtes Schädel-Hirn-Trauma, eine Wunde am Kopf, Knöchelbrüche sowie Zerrungen und Schürfungen. Morgen steht Taxichauffeur Josef S. wegen Tötungsversuch vor dem Bezirksgericht Bülach ZH.
An jenem 13. August 2014 steuert er gegen 19 Uhr sein Skoda-Taxi vom Flughafen Kloten in Richtung Zürich. Der Deutsche nähert sich mit einem Daimler auf der gleichen Route und will einspuren.
Aber der Taxifahrer macht ihm keinen Platz, also fährt er über eine Sperrfläche mit Leitbaken auf die Autobahn. «Mein Mandant glaubte, er habe dadurch seinen Wagen beschädigt», sagt Rechtsanwalt Stephan Schlegel zu BLICK. «Darum versuchte er, den Taxifahrer mit Zeichen zum Rechtsranfahren zu bewegen.»
Der Deutsche bremst das Taxi aus
Josef S. ignoriert die Gesten und fährt weiter. Da setzt sich der Deutsche mit seinem Daimler vor das Taxi und bremst es aus. Bis zum Stillstand. Mitten im Abendverkehr auf der Überholspur!
Der Daimler steht halb auf der Normal-, halb auf der Überholspur. Der Fahrer steigt aus, stellt sich vor das Taxi und fordert Chauffeur
Josef S. auf, auszusteigen. Der denkt nicht daran und drückt aufs Gas. Der Deutsche landet auf der Motorhaube, krallt sich fest.
Dank des Fahrtenschreibers kann die Polizei Fahrt und Tempo rekonstruieren – Augenzeugen glaubten, es handle sich um Filmaufnahmen.
Zunächst beschleunigte der Täxeler auf 77 km/h, bremste dann abrupt auf 46 km/h ab. Dadurch sei der unfreiwillige Fahrgast seitlich weggerutscht und habe den linken Schuh verloren, steht in der Anklage.
Und: Durch den Schleifkontakt mit der Fahrbahn habe sich der Mann «erhebliche Schürfverletzungen» zugezogen. Aber er konnte sich weiter festhalten.
Der Höllenritt im Abendverkehr führt mit 131 km/h durch den Bubenholztunnel. Dort versucht der Taxifahrer, sein Opfer mit starken Schwenkern abzuschütteln.
Dem gelingt es, die beiden Scheibenwischer auszureissen und die Frontscheibe auf der Fahrerseite einzuschlagen. Sekunden später rollt sich der Deutsche ab und lässt sich auf die Fahrbahn fallen.
Sein Hobby Sportklettern rettete ihm das Leben
Die Anklage fordert acht Jahre Gefängnis für den Taxifahrer. Der Anwalt des Deutschen sagt: «Sein Hobby, Sportklettern, hat ihm höchstwahrscheinlich das Leben gerettet. Nur wegen seiner trainierten Arme und Hände gelang es ihm, sich auf der Motorhaube festzuhalten.»
Für den Verteidiger von Joseph S., Sven Dogwiler, ist die Sache nicht so eindeutig: «Der Sachverhalt ist sehr vereinfacht und zuungunsten meines Mandanten dargestellt worden. Man darf nicht ausser Acht lassen, dass das vermeintliche Opfer erheblich zur Eskalation beitrug.»
Der Täxeler fährt nach dem Höllenritt trotz kaputter Frontscheibe bis nach Zürich. Beim Hauptbahnhof stoppt ihn die Polizei.