Als BLICK nachfragt, passt Regensdorf ZH die Vorschriften an
Sozialhilfe-Bezüger mit falschem Formular unter Druck gesetzt

Mia K. wollte sich in Regensdorf für die Sozialhilfe anmelden. Das Amt händigte ihr ein Merkblatt zur Unterschrift aus. Im Zweifelsfall könne sie von Sozialdetektiven unter die Lupe genommen werden, hiess es. Als BLICK bei der Gemeinde nachfragt, wird das Formular angepasst.
Publiziert: 23.11.2018 um 16:30 Uhr
Dieses Formular erhalten Sozialhilfeantragsteller in Regensdorf seit 2015. Die Gemeinde arbeitet für die Sachverhaltsabklärungen mit dem Überprüfungsdienst SoWatch zusammen.
Foto: zVg
Helena Schmid

Der Umzug in die Gemeinde Regensdorf ZH wäre eigentlich eine gute Sache gewesen. Doch schon nach wenigen Wochen möchte Mia K.* (50) wieder weg. Die Sozialhilfeempfängerin hat Angst, beschattet zu werden. Grund ist ein dubioses Formular, das sie bei der Anmeldung auf dem Sozialamt erhielt.

«Besteht Verdacht auf missbräuchlichen Leistungsbezug, kann auch verdeckt durch Sozialdetektive ermittelt werden», heisst es unter anderem in dem «Merkblatt», das die Gemeinde Regensdorf den Antragstellern für Sozialhilfe zum Unterschreiben vorlegt. Mia K. bemerkt den Satz sofort.

Sie ist perplex. «Ich gebe nicht meine Unterschrift dafür, dass sie mich überwachen dürfen», sagt sie zu BLICK. Also geht Mia K. einige Tage später ohne das Formular aufs Amt. «Dort wurde mir gesagt, ich könne mich nicht anmelden, wenn dieses Merkblatt fehle», so die 50-Jährige.

Regensdorf darf keine Observationen durchführen

Mia K. weiss: Ohne Anmeldung gibt es kein Geld. Verzweifelt kritzelt sie ein «schockiert zur Kenntnis genommen» auf den Zettel und unterschreibt. Die Sorge bleibt. «Man wird damit konfrontiert, dass man möglicherweise gar keine Privatsphäre mehr hat. Das ist mir nicht geheuer», sagt sie.

Fakt ist: Seit dem Bundesgerichtsentscheid von 2017 müssen Kantone oder Gemeinden eine gesetzliche Grundlage für solche Observationen haben, ansonsten ist die Überwachung der Sozialhilfeempfänger illegal. Doch weder der Kanton Zürich noch die Gemeinde Regensdorf verfügen über eine entsprechende Rechtsgrundlage.

Das bestätigt auch Gemeindeschreiber Stefan Pfyl. Man lasse deshalb auch gar keine Observationen durchführen. «Die Sozialhilfeabklärungen erfolgen mittels Hausbesuchen, die auf der Freiwilligkeit der Sozialhilfebeziehenden beruhen», so Pfyl.

Gemeinde spricht von einem Fehler

Doch warum wird diese Möglichkeit dann im Formular aufgeführt? Der Gemeindeschreiber kleinlaut: «Leider enthält das Merkblatt bezüglich der verdeckten Ermittlung tatsächlich einen Fehler.» Bedenklich: Der vermeintliche Fehler fällt erst auf, als BLICK die Gemeinde mit der Klausel konfrontiert. Nach vier langen Jahren. 

Immerhin: Man habe den Inhalt nun angepasst. Zudem dementiert Pfyl, dass Sozialhilfeempfänger das falsche Formular unterschreiben mussten, um Geld zu erhalten. 

Mia K. widerspricht vehement. Das Vertrauen in die Gemeinde Regensdorf hat sie sowieso verloren: «Sobald mein Mietvertrag hier ausgelaufen ist, ziehe ich woanders hin.»

* Name geändert

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