Die Mehrfamilienhäuser auf dem Bülachguss-Areal sind attraktiv. Sichtbacksteinfassaden, 490 moderne, grosszügige Wohnungen mit Parkett und grossen Fensterfronten vom Boden bis an die Decke. Doch das Ganze hat neben dem Kaufpreis von bis zu 935'000 Franken einen Riesen-Haken.
Wer einen Parkplatz für stolze 35'000 Franken kauft, darf ihn nur sehr eingeschränkt benutzen. Konkret: Der Besitzer darf das Auto nur zwei Mal pro Tag bewegen. Einmal rausfahren und einmal wieder einparken. Fertig. Zwei Bewegungen pro Tag im Schnitt sollten nicht überschritten werden.
Kaufinteressent will keine Bevormundung
«Ich konnte fast nicht glauben, was wir da hörten», sagt Daniel Werner, der an einer Attika-Wohnung interessiert war. «Wir wurden beim Kaufgespräch gleich als Erstes auf die Einschränkungen auf dem Parkplatz aufmerksam gemacht. Damit waren wir natürlich nicht einverstanden.»
Die Einschränkungen für den Parkplatz gelten für alle Käufer, Mieter, aber auch Gewerbetreibende auf dem Bülachguss-Areal. Die Bauherrin, die Immobilienfirma Allreal, musste für das umgezonte Gebiet von Bülach-Guss ein umfassendes Mobilitätskonzept mit der Baueingabe einreichen.
«Das lassen wir nicht mit uns machen»
«Die Vorgaben sind doch Humbug», sagt der abgeschreckte Käufer Daniel Werner. «Das lassen wir nicht mit uns machen. Man kann doch nicht gleichzeitig Parkplätze bauen und dann so krass einschränken. Für das sind sie viel zu teuer. Wir kaufen jetzt woanders.»
Wenig Parkplätze, Einschränkung der Nutzung – das hat in Bülach Nord System. Es soll der Umstieg auf die öffentlichen Verkehrsmittel forciert werden. Die Vorgabe von Gemeinde und Kanton fordert einen Anteil der Fahrten mit Bus oder Bahn von mindestens 55 Prozent. Das Mittel dazu: strenge Richtlinien für die Autofahrer.
Ein automatisches Erfassungssystem
Um das Fahrverhalten der Parkplatzbesitzer zu kontrollieren, wird ein automatisches Erfassungssystem installiert. Wie im Konzept steht, soll bei einer ersten Übertretung den Nutzern mit zu vielen Fahrten der ÖV mit Broschüren und Beratungen schmackhaft gemacht werden.
Hält sich ein Autofahrer weiter nicht an die Einschränkungen, fahren die Verwalter schwerere Geschütze auf. Firmen etwa, deren Angestellte die Firmenparkplätze zu intensiv nutzen, müssen mit der Kündigung des Parkplatzes rechnen. Oder werden gezwungen, Schranken zu installieren. Wenn die privaten Parkplatzbesitzer ihr Auto chronisch mehr bewegen als zwei Mal pro Tag, drohen Geldstrafen. Die Bussen fliessen ins Kässeli des Grundeigentümers.
Wird in einzelnen Häusern zu viel Auto gefahren, werden dort gezielt Mieter gesucht, die kein eigenes Fahrzeug besitzen. Die nicht benötigten Parkplätze könnten dann laut Konzept an Externe vermietet werden, die weniger rumfahren. An Oldtimer-Besitzer zum Beispiel.
Es formiert sich Widerstand
In Bülach regt sich gegen das absurde Verkehrskonzept Widerstand. «Noch ist das Ganze nicht in Stein gemeisselt», sagt Gemeinderat und Kandidat für den Stadtrat, Andres Bührer (41). Er ist überzeugt: «Wenn das Parlament seine Sichtweise ändert, wird das Konzept gekippt.» Bührer setzt sich auch als Präsident des Hauseigentümerverbandes Bülach für die Abschaffung der Parkregeln ein. «Ein Überwachungssystem auf eigenem Boden, das geht überhaupt nicht. Das schiesst weit über das Ziel hinaus, den ÖV zu fördern.»
Anteil des ÖV muss erreicht werden
Zuständig für die Einführung des Mobilitätskonzepts ist Stadtrat Hanspeter Lienhart (62, SP). Er verteidigt die strengen Regeln: «Wir müssen bis 2030 den Anteil von 55 Prozent der Mehrfahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen. Wer im Gebiet Bülach Nord bauen will, muss diese zwingende Vorgabe mit einem Mobilitätskonzept erreichen.»
Die Anzahl der Tempo-30-Zonen ist in den vergangenen zehn Jahren geradezu explodiert. Im Kanton St. Gallen, ohne die Hauptstadt, gibt es heute 92 Tempo-30-Zonen. 72 davon wurden in den vergangenen zehn Jahren bewilligt. In Freiburg sind es 172, 2007 waren es gerade einmal 56. Im Kanton Luzern wurden seit 2007 234 Tempo-30-Zonen bewilligt – und das ohne die drei grössten Gemeinden Luzern, Emmen und Kriens. Am meisten Gas gegeben in Sachen Tempo 30 haben aber die Berner. Sie machten ihrem Ruf alle Ehre und bewilligten zwischen 2007 und 2017 ganze 356 Langsamfahrzonen. Gab es im Kanton Bern vor zehn Jahren noch 137 Tempo-30-Zonen, sind es heute 493. Das Ausbremsen der Autofahrer sorgt dabei für rote Köpfe. «So macht man Autofahren unattraktiv», sagt etwa Auto-Lobbyist und SVP-Nationalrat Thomas Hurter (54).
Die Anzahl der Tempo-30-Zonen ist in den vergangenen zehn Jahren geradezu explodiert. Im Kanton St. Gallen, ohne die Hauptstadt, gibt es heute 92 Tempo-30-Zonen. 72 davon wurden in den vergangenen zehn Jahren bewilligt. In Freiburg sind es 172, 2007 waren es gerade einmal 56. Im Kanton Luzern wurden seit 2007 234 Tempo-30-Zonen bewilligt – und das ohne die drei grössten Gemeinden Luzern, Emmen und Kriens. Am meisten Gas gegeben in Sachen Tempo 30 haben aber die Berner. Sie machten ihrem Ruf alle Ehre und bewilligten zwischen 2007 und 2017 ganze 356 Langsamfahrzonen. Gab es im Kanton Bern vor zehn Jahren noch 137 Tempo-30-Zonen, sind es heute 493. Das Ausbremsen der Autofahrer sorgt dabei für rote Köpfe. «So macht man Autofahren unattraktiv», sagt etwa Auto-Lobbyist und SVP-Nationalrat Thomas Hurter (54).