Die 19-jährige Daria Zhivchikova stöhnt vor Schmerzen, als sie ihre Kollegen aus dem 6. Stock die Treppe 104 Stufen heruntertragen. Im Parterre angelangt, bricht die russische Studentin fast zusammen: «Mein kaputtes Knie tut so weh!»
Der Grund für die Tortur: Seit 18 Monaten sind alle vier Lifte der Grossüberbauung in der Nähe der ETH Hönggerberg abgestellt. Und das wegen eines Juristen-Zoffs zwischen der Eigentümerin und des Liftbauers.
Wer wie die russische Studentin nicht richtig laufen kann, ist aufgeschmissen. Denn die über 300 Studierenden müssen bis zu 104 Stufen erklimmen, um in ihre WG-Zimmer im sechsten Stock zu gelangen. «Die Treppen hochzusteigen hält zwar fit, aber die ewige Schlepperei ist extrem mühsam», sagt der österreichische Biologie-Student Julian Dorighi (21) zu BLICK.
Sein dänischer WG-Kumpel August Boegh Roenberg (20) ärgert sich ebenfalls. «Es ist unglaublich, dass die Lifte so lange kaputt sind. Ich habe nicht gedacht, dass in der Schweiz so etwas möglich ist. Ich musste alle meine Möbel alleine hochtragen.»
Zank um Lift-Reparatur
Der Lift-Horror beginnt im Januar 2017. Und das nur drei Jahre nach dem Bau des Blocks. Die Aufzüge sind defekt. Die Frage: Wer bezahlt die Reparatur? Einig wird man sich nicht. Die Vermieterin, die studentische Wohngenossenschaft Zürich Woko, streitet sich bis heute mit dem Liftbauer vor Gericht. Die Lifte blieben seither abgestellt. «Die ganze Geschichte ist extrem ärgerlich. Wir wollten Hand bieten für eine rasche Lösung ohne Kostenfolge», sagt Fritz Diethelm von der Diethelm Aufzüge AG. Warum es nicht dazu gekommen ist, kann er wegen des laufenden Verfahrens nicht sagen.
Die Instandstellung der Aufzüge werde erst im September möglich sein, da die Beweisaufnahme beim Gericht hängig sei, sagt Woko-Geschäftsführer Martin Stamm.
Das besänftigt Waldtraud Stratmann (62) aus Münster (D) nicht. Sie trägt für ihren Sohn gerade die Wäsche in den 6. Stock. «Es ist eine Katastrophe. Meine hochschwangere Tochter kann wegen der vielen Treppen nicht einmal mehr ihren Bruder hier besuchen.»
Eigentümer bietet minimale Entschädigung
Die über 300 Mieter erhalten von der Eigentümerin nun eine Entschädigung von insgesamt über 100'000 Franken. Ein Vergleich «auf freiwilliger Basis», wie Stamm betont. Für die Mieter bedeutet dies eine monatliche Mietzinsreduktion von 25 Franken – bei einer Monatsmiete von 543 Franken.
Für Walter Angst, Sprecher des Zürcher Mieterverbands, ist dies das absolute Minimum. «Bauschäden müssen eigentlich sofort repariert werden.» Die beteiligten Parteien sollten juristische Streitereien nicht auf dem Rücken der Mieter austragen.