Es war der Tag seines Prozesses. Hans-Peter Brunner († 60) wäre wegen Betrugs angeklagt gewesen und dafür, dass er eine kleine Bank in den Ruin getrieben hatte – der Staatsanwalt wollte ihn für drei Jahre hinter Gitter bringen. Doch so weit kam es nicht. Vor zehn Jahren, am Mittag des 11. Mai 2005, schoss sich Hans-Peter Brunner in seinem Rotlicht-Haus «Sonne» in den Kopf.
Schwer verletzt brachte man ihn ins Spital, wo er einen Tag später verstarb. «Dabei war sein Prozess gar nicht so aussichtslos», sagt Milieu-Anwalt Valentin Landmann im Gespräch mit Blick.ch. Er hat Brunner gut gekannt.
Bank in den Ruin getrieben
Das Zürcher Milieu verlor damit seinen König. Hans-Peter Brunner besass rund ein Dutzend Rotlichthäuser, etwa die Sonne, das Regina, das St. Pauli oder das Red Lips. Gekauft hatte er die Lokale mit Geld der kleinen Ostschweizer Bank Grabs, bei der er schon die Lehre gemacht hatte.
Die angeblich ergaunerten Millionen-Kredite waren das Ende der Kreditanstalt Grabs – obwohl Hans-Peter Brunner die 23 Millionen später bis auf den letzten Rappen zurückzahlte. Da hatte die Raiffeisenbank die Grabs aber schon längst geschluckt.
Auch mal ein 1000er-Nötli zugesteckt
An die Beerdigung von Brunner kamen zahlreiche Prostituierte, Hells Angels, «Geschäftsmänner». Denn der Milieu-König war beliebt. Er hatte sich fürsorglich um seine Angestellten gekümmert, half den Frauen, gab Leuten einen Job, die sonst nirgends eine Chance erhalten hätten.
Das brachte ihm den Übernamen «Papi» ein. «Er war ein sehr grosszügiger Mann», sagt ein alter Freund und Insider zu Blick.ch. «War jemand in Schwierigkeiten, steckte er der Person auch mal ein 1000er-Nötli zu.»
Hans-Peter Brunner sei ein richtiger «Handschlag-Typ» gewesen, sagt der Insider. Das gebe es heute im Milieu kaum noch. Denn nachdem er gestorben war, kauften «anonyme Gesellschaften» die Liegenschaften, bedauert er.
Nachfolger starb bald darauf auch
Zwar übernahm zunächst noch Nachfolge-König Albert Mosberger die Häuser. Doch ein halbes Jahr nach Brunners Suizid wurde «der dicke Albert» (†38) bei einem Streit vor einem Puff mit einem Messer in die Brust getötet. «Er war genauso grossherzig wie Brunner. Er starb, weil er eine der Frauen verteidigen wollte», so Valentin Landmann.
In den zehn Jahren seit dieser tragischen Geschichte hat sich einiges verändert im Zürcher Milieu. «Brunner hatte die harten Drogen verabscheut und versuchte, sie aus seinen Häusern fernzuhalten», sagt Landmann. «Auch die Kügeli-Dealer wurden bestmöglich verjagt.» Aber schon Nachfolger Albert sei etwa den Hanf-Geschäften nicht abgeneigt gewesen.
Gangs prägen das Millieu heute
Heute sei das Milieu anders organisiert, so Landmann. Klassische «Patrons» wie Brunner gebe es keine mehr. «Die Langstrasse war früher in Schweizer Hand, das ist heute nicht mehr so. Das waren keine harten Geschäftsleute im klassischen Sinne, die sich ihr Imperium auf Kosten anderer aufbauen wollten.»
Heute regierten eher die Streetgangs, die Türsteher, die Fighter, die Balkan-Jungs. Das Milieu sei härter, gewalttätiger geworden.
Yuppis übnehmen die Langstrasse
Landmann: «Und es ist kein Biotop mehr, keine Vielfalt mehr, in der auch noch kleine Gewerbler Platz haben. Anonyme Verwaltungen interessieren sich nicht mehr für die Sorgen der Mieter, sondern für die Rendite.»
Zudem haben die Yuppis den Chreis Cheib überrennt. Denn einige der Brunner-Häuser wurden zu WGs und Studentenwohnungen umgebaut. «Einige alteingesessene Frauen haben nach Brunners Tod ihre Existenz verloren. Und die Sexboxen sind keine Alternative, zum Beispiel für eine 60-jährige Prostituierte.»