Zürcher Unternehmen macht mit fragwürdigen Versprechen Kasse
Das fiese Spiel der selbsternannten Krebsheilerinnen

Das Zürcher Unternehmen Esha verkauft Kurse mit dem fragwürdigen Versprechen, dass man mit diesen «krebsfrei und ganzheitlich gesund» werden kann. Die Krebsliga kritisiert das scharf. Auch die Behörden nehmen Esha nach Blick-Recherchen unter die Lupe.
Publiziert: 14.04.2024 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 14.04.2024 um 15:08 Uhr
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Das Zürcher Unternehmen Esha macht Geld mit teuren Schulungen für krebskranke Frauen.
Foto: Zvg
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Vanessa MistricRedaktorin

Ich weiss nicht so recht weiter in vielem», schreibt eine Frau in der Facebook-Gruppe «Esha – werde krebsfrei und ganzheitlich gesund & erfüllt». Letztes Jahr sei sie wegen eines Gebärmuttertumors operiert worden. Seitdem fühle sie sich oft hoffnungslos und ängstlich.

Karin Gleichner, die Administratorin der Gruppe, bietet der Frau ihre Hilfe an. Krebs trete in unser Leben, damit wir «Änderungen vornehmen», so Gleichner auf Facebook: «Dann braucht es den Krebs nicht mehr.»

Gleichner ist eine von drei Gründerinnen des Zürcher Unternehmens Esha. Über das soziale Netzwerk und seine eigene Website wirbt Esha mit dem fragwürdigen Versprechen auf Heilung: «Werde krebsfrei und ganzheitlich gesund». Zudem bietet es teure «Heal-Retreats» (Heil-Tagungen) und «krebsfrei Transformationsprogramme» an.

Die viertägigen Retreats mit Schulungen und Yoga kosten 1568 bis 1688 Franken. Wer 2650 Franken zahlt, darf drei Monate lang an wöchentlichen Zoom-Treffen sowie an zwei «Einzel-Sessions» teilnehmen. Kein seriöser Anbieter würde Krebspatientinnen Heilung versprechen – schon gar nicht durch solche Retreats oder Onlineprogramme. Da sind sich Expertinnen wie die der Schweizerischen Krebsliga einig.

Kaum Kontrollen

Dennoch ist bislang noch niemand eingeschritten. Die Behörden hatten die Gruppe nicht auf dem Schirm, wie eine Blick-Anfrage bei zuständigen Stellen ergeben hat. Das Problem: Therapieangebote, die nicht von der Krankenkasse finanziert werden, unterliegen kaum einer Kontrolle. Nun wollen sowohl die Kontrollbehörde für Heilmittel Swissmedic als auch die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich den Sachverhalt und die Zuständigkeiten prüfen. «Im vorliegenden Fall werden wir klären, ob die Tätigkeit von den jeweiligen Bewilligungen abgedeckt ist und im Einklang mit den Sorgfaltspflichten steht», führt die Gesundheitsdirektion aus.

Esha ist seit mehr als einem Jahr aktiv. Allein in der kostenlosen Esha-Facebook-Gruppe sind über 130 Mitglieder registriert. Einige schreiben, sie würden «alles geben», um gesund zu werden, andere erklären, sie bräuchten dringend Hilfe bei den vielen «Abgründen, die sich auftun».

Wo Betroffene seelische Hilfe finden

Viele Spitäler und Praxen arbeiten mit Psychoonkologen, die sich mit den psychischen, sozialen und seelisch-spirituellen Aspekten von Krebserkrankungen beschäftigen. Es gibt auch unabhängige Psychoonkologen: Ein Verzeichnis findet man bei der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoonkologie. Die Beratung oder Therapie wird oft von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen. Auch kantonale und regionale Krebsligen beraten Krebsbetroffene und Angehörige kostenlos und beschäftigen Psychoonkologen.

Viele Spitäler und Praxen arbeiten mit Psychoonkologen, die sich mit den psychischen, sozialen und seelisch-spirituellen Aspekten von Krebserkrankungen beschäftigen. Es gibt auch unabhängige Psychoonkologen: Ein Verzeichnis findet man bei der Schweizerischen Gesellschaft für Psychoonkologie. Die Beratung oder Therapie wird oft von der Grundversicherung der Krankenkasse übernommen. Auch kantonale und regionale Krebsligen beraten Krebsbetroffene und Angehörige kostenlos und beschäftigen Psychoonkologen.

In der Facebook-Gruppe kontaktiert Esha die Teilnehmerinnen persönlich. Die Organisation baut zudem in Posts mit pseudowissenschaftlichen Aussagen subtilen Druck auf, um Interessenten zur Teilnahme an ihren Programmen zu bewegen. So wird beispielsweise behauptet, positives Denken steigere die Überlebenschancen um 70 Prozent, die Hauptursache für Krebs sei Stress. Solche als Fakten präsentierten Theorien widersprechen objektiven wissenschaftlichen Erkenntnissen.

Karin Gleichner berichtet in der Facebook-Gruppe per Video von einer Frau, die ihr gesagt habe, sie hätte das Geld für das Esha-Programm nicht und könne es auch von niemandem leihen. Sie fragt: «Ist das wirklich so?» Und betont, man könne immer «Geld auftreiben»: «Es geht um euer Leben, es geht darum, dass ihr jetzt gesund werdet.»

Gleichner hat nach eigenen Aussagen Ausbildungen zur Yoga-Therapeutin und zum Life Coach absolviert. Das Esha-Team bestehe ausserdem aus einer Energetikerin, einer Mindset-Mentorin, einer Ärztin für Allgemeine Innere Medizin und einer Onkologin. Betroffene können dadurch leicht den Eindruck erhalten, es handele sich um ein überprüftes ärztliches oder therapeutisches Angebot.

Krebsliga distanziert sich deutlich

Die Organisation konnte sich zu Beginn sogar mit der Krebsliga schmücken. Die hatte das Programm auf ihrer Website verlinkt, ohne es vorher genauer zu prüfen. Sobald die Krebsliga darauf aufmerksam geworden sei, habe sie das Angebot gelöscht, so eine Sprecherin zu Blick: «Wir distanzieren uns deutlich von der ideologischen Haltung von Esha.»

Denn es sei im Einzelfall kaum möglich, die konkrete Ursache für eine Krebserkrankung herauszufinden. «Wir finden es daher sehr problematisch, wenn Betroffenen der Eindruck vermittelt wird, sie seien selber schuld an ihrer Erkrankung oder Krebs sei ein Weckruf, um das eigene Leben zu verändern.» Stress als Hauptursache für Krebs und die Esha-Lehre als Heilmittel – aus Sicht der Fachleute sind solche unwissenschaftlichen Aussagen hoch problematisch.

Gleichner hebt gegenüber Blick hervor, das Esha-Programm sei nur als Ergänzung zu anderen Angeboten für Menschen mit Krebs gemeint. Ihr und ihrer Mitgründerin habe vor einigen Jahren, als sie selbst an Brustkrebs litten, ein Angebot gefehlt, das sie neben der Schulmedizin begleitet und unterstützt hätte: «Damit andere Frauen mit Krebs dies nicht auch so erleben müssen, haben wir Esha gegründet.» Die Kundinnen wünschten sich vor allem den Austausch und emotionale Unterstützung. Esha biete keine Psychotherapie an; deshalb seien auch keine Psychiater oder Psychotherapeuten im Team.

Die Gründerin der «krebsfrei» Programme bestreitet, dass ihr Unternehmen Heilung verspreche: «Unser Claim lautet nicht: Wir machen dich krebsfrei. Wir begleiten Frauen mit Krebs, die ganzheitlich gesund werden möchten. Heilen müssen sie selber, das können wir ihnen nicht abnehmen.»

Gleichner streitet ab, Esha-Kundinnen mit Schuldzuweisungen unter Druck zu setzen: «Wir sprechen darüber, dass gewisse Lebensweisen dazu beitragen können, dass Krankheit begünstigt wird, was keinesfalls mit einer Schuldzuweisung gleichzustellen ist. Vom Schuldgedanken distanzieren wir uns klar.»

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