Zwölf Minuten braucht Hermann Giner (77) vom deutschen Singen (D) nach Buch SH. Doch zum Arbeiten fährt der Malermeister nicht mehr über die Grenze. «Die bürokratischen Hürden, um in der Schweiz Aufträge ausführen zu können, sind viel zu hoch», sagt er. «Diesen Zirkus mache ich nicht mehr mit.»
Giner ist nicht der Einzige. «Wir haben dank des starken Frankens extrem viele Offerten aus der Schweiz», sagt ein Dachdecker aus Radolfzell (D). «Aber wir nehmen keine einzige an.» Ein Tischler aus Laufenburg (D) fühlt sich gar «schikaniert von den Schweizer Behörden».
Grund für den Ärger sind die strengen Auflagen für ausländische Handwerker. Vor jedem Einsatz muss der Betrieb anmelden, wann und wo welcher Mitarbeiter was erledigen wird. Ihre Löhne müssen denen der Schweizer entsprechen.
Zudem fallen in immer mehr Branchen und Kantonen happige Kautionen an: Führt ein deutscher Handwerker in der Schweiz Arbeiten für 40000 Franken aus, muss er bis zu 20000 Franken bei der zuständigen paritätischen Kommission hinterlegen.
«Die Zahl der zu beachtenden Formalitäten hat in den letzten Jahren immer mehr zugenommen», bestätigt Brigitte Pertschy, EU-Beraterin der deutschen Handwerkskammer Freiburg. Auch Sonja Zeiger-Heizmann von der Handwerkskammer Konstanz findet die Hürden extrem hoch. «Die Zahl der Beratungen bei uns zum Thema nimmt stetig zu», sagt sie. «Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Handwerksunternehmen Aufträge in der Schweiz vermehrt ablehnen.»
Besonders kritisieren die deutschen Handelskammern, dass Verstösse bei so komplexen Regelungen oft unbeabsichtigt geschehen, aber dennoch streng sanktioniert werden. Letztes Jahr etwa musste ein Konstanzer Unternehmer 400 Franken bezahlen, weil Kontrolleure eine Lohnabweichung von Fr. 2.84 feststellten.
Einige Büezer versuchen deshalb, die strengen Regeln zu umgehen. «Ich baue alle Möbel in Deutschland, liefere sie fertig in die Schweiz», sagt Schreinermeister Baldur Noebel (56) aus Konstanz (D). «So handle ich als Transporteur und die Handwerkerregeln gelten nicht.» Das führt teils zu absurden Szenen. Noebel darf in der Schweiz keinen Schrank an der Wand festschrauben. «Weil das dann wieder handwerkliche Arbeit wäre.» Noebel achtet genau darauf, die Regeln einzuhalten. Er weiss: «Die Schweizer kontrollieren sehr genau.»
Tatsächlich hat das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) die Zahl der Kontrollen erhöht. 2014 wurden 21 586 Betriebe und Selbständige kontrolliert, zwölf Prozent mehr als im Vorjahr.
Die strengen Massnahmen seien ein Erfolg, sagt Seco-Sprecher Fabian Maienfisch (34). «Sie haben sich als Instrument gegen unerwünschte Auswirkungen des Freizügigkeitsabkommens auf die schweizerischen Lohn- und Arbeitsbedingungen bewährt.»
Auch Werner Meister (49) freut sich. «Durch den starken Franken brachen die Bestellungen ein», sagt der Schreinermeister aus dem grenznahen Oberhofen TG. «Dass jetzt immer weniger Deutsche hier arbeiten, spüren wir deutlich. Die Situation hat sich für uns entschärft.»
Patrik Ettlin (46) vom Verband Schweizerischer Schreinermeister und Möbelfabrikanten: «Wir begrüssen die Massnahmen, um das heimische Gewerbe zu schützen.» Er fordert sogar noch strengere Kontrollen. «Sonst werden die Regeln einfach mit Tricks umgangen.»
Bei so viel Unterstützung schielen jetzt sogar manche deutschen Büezer neidisch über die Grenze: «Dass die Behörden das eigene Gewerbe so verteidigen, finde ich lobenswert», sagt Hans-Peter Höss (57) vom Küchenhaus in Singen.
«Ich wünschte, unsere Regierung würde das Gleiche tun. Uns schützt niemand vor günstigen Anbietern aus Polen.»