«Hallo du», sagt Zoodirektor Alex Rübel. Das Kamel schaut und kaut. «Ist wieder mal jemand hier, schau!» Das Kamel schaut und kaut weiter. Ganz bei der Sache ist Rübel beim Rundgang durch den geschlossenen Zoo an diesem Mittwochnachmittag nicht. Wer könnte es ihm verübeln. Der Bundesrat hat vor ein paar Minuten verkündet, dass er seinen Zoo zwei Tage früher als geplant aufmachen darf – am 6. Juni schon. Rübel freut sich, klar – «endlich!» Aber er weiss: Es wartet noch viel Arbeit, um den Zoo coronakonform zu machen. Der bald abtretende Zoodirektor tippt Mails, diktiert Nachrichten in sein Handy, während er mit schnellem Schritt durch den Zoo geht. Die Tiere übersieht er trotzdem nicht. «Hallo du!» – diesmal gilt sein Gruss dem Pfau, der am Wegrand steht. Rübels Telefon klingelt.
Die neue Savanne, die noch niemand sah
Wir stehen in der Lewa-Savanne. Der neuste Stolz des Zürcher Zoos. Im gleichen Gehege traben Nashörner, weiden Zebras, ein Vogelstrauss reckt den Hals, und die Impala-Antilopen, wie immer nervös, blicken in alle Richtungen. Obwohl hier keine Lebensgefahr droht: Der Löwe wird nicht in die Savanne integriert. Er bleibt, wo er ist. Dafür sind Giraffen da. Noch kein Besucher hat sie gesehen. Denn die Eröffnung der Savanne am Zürichberg musste wegen Corona verschoben werden – zumindest für die Menschen. Rübel nimmt einen Anruf entgegen. Gesprächsfetzen: «Es kommt gut. Wir sind gut vorbereitet. Alles sollte funktionieren». Es war der Verwaltungsratspräsident. Überall im Zoo stehen Hinweistafeln bereit, Desinfektionsmittelständer. Noch ist nicht alles aufgestellt.
Gorillas vermissen Zoo-Besucher
Für einen kurzen Moment zu vergessen scheint Rübel all die anstehenden Aufgaben nur, als er die Brillenbärmutter mit ihrem Kleinen sieht. Das Bärenjunge tollt durchs Gras. Rübel bleibt fasziniert stehen: «Es ist das erste Mal, dass ich die beiden draussen sehe. Hören Sie, wie die Mutter leise brummt? So kommuniziert sie mit dem Kleinen.» Durch den so ungewohnt stillen Zoo ist der Ruf eines Kranichs zu hören. Menschen, sagt Rübel, gehören zwar für die Tiere im Zoo zu ihrem Lebensraum. Sind sie nicht da, stört es sie aber nicht.
Nur jemand vermisst die Besucher sehr. Als wir bei den Gorillas eintreffen, haben sie sich schon in ihre Gemächer zurückgezogen. Rübel muss aber nur einmal mit seinem Schlüsselbund klimpern, und schon kommen sie. Ganz nah stehen sie am Glas, schauen mit ihren dunklen Augen den unverhofften Besuch an. Denn Gorillas sind nicht nur interessant für die Zoobesucher, sondern auch umgekehrt. Fast drei Monate fiel die menschliche Unterhaltung nun weg. Die Pfleger gaben sich alle Mühe, die Tiere in der Zwischenzeit mit Futterspielen zu beschäftigen. Wie sehr sich Gorillaweibchen Mary aber über Besucher freut, zeigt sie ganz ungeniert: Unzählige Küsse drückt sie an die Scheibe.
Zoodirektor Rübel und seine Mitarbeiter haben noch einiges zu tun in den nächsten Tagen. Mary aber ist jetzt schon mehr als parat für die Wiedereröffnung.