«Holzzäune sind defekt»: Von diesem Hof in Samstagern liefen die Pferde davon.
Foto: Nicolas Lurati

Todes-Crash auf der A3 in Wollerau SZ
Kein Wunder, hauten die Pferde von diesem Hof ab

Ein toter Fahrer, zwei tote Pferde – so lautet die tragische Bilanz des Crashs auf der A3 am Sonntag. Nun ist klar: Die Leroy und Stone hauten von einem Reitstall in der Nähe der Autobahn ab. Und das wohl mit gutem Grund, wie Bilder des Hofgeländes zeigen.
Publiziert: 05.02.2019 um 00:22 Uhr
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Aktualisiert: 06.02.2019 um 14:46 Uhr
  • Mysteriös: Im Unfallauto sassen zwei weitere Personen, von denen die Polizei am Sonntag nichts wusste.
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Stjepan K.* (†53) starb beim Pferde-Crash.
Foto: Zvg
Helena Schmid und Nicolas Lurati

Früher oder später musste das ja schlimm enden, sagt sich Tobias L.* heute. Doch damals, als er den Reitstall in Samstagern ZH den Tierschützern melden wollte, tat er es nicht. Hielt sich lieber zurück. Eine Entscheidung, die er heute bereut: «Dass die Zustände auf dem Hof zu einem solchen Drama führen, hätte ich nie gedacht.»

Es passiert in der Nacht auf Sonntag. Die zwei Rösser Leroy und Stone fliehen aus ihren Gehegen. Sie gelangen auf die Autobahn A3, nur wenige Hundert Meter vom Stall entfernt.

Zeitgleich fährt Reinigungsmitarbeiter Stjepan K.* (†53) mit seinem VW über die A3 in Richtung Zürich. Zwischen Wollerau SZ und Richterswil ZH tauchen die zwei verirrten Pferde plötzlich im Scheinwerferlicht auf. Es kracht. Der weisse VW ist zerstört. Stjepan K. stirbt noch an der Unfallstelle.

Mitfahrer von K. überleben Crash

Die Familie des zweifachen Vaters ist am Tag nach dem Unfall völlig geschockt. Ein Bekannter zu BLICK: «Er wollte mit zweien seiner Mitarbeiterinnen im Morgengrauen zur Arbeit fahren.» Die Staatsanwaltschaft Zürich bestätigt, dass im Unfallauto noch zwei weitere Personen sassen. Sie haben den Crash im VW Passat unverletzt überstanden.

Doch wie kam es überhaupt zu dem fatalen Unfall? Wie konnten die Rösser auf die Autobahn gelangen? Für Tobias L. ist klar: «Der Hof ist dafür verantwortlich!» Er selbst hatte sein Pferd über eine längere Zeit in jenem Reitstall untergestellt – jetzt nicht mehr. Denn: «Die Zustände waren untragbar. Wir haben unser Tier dort weggenommen.»

Bilder vom Hof belegen: Die Zäune um die Pferdeställe werden teils nur mit dünnen Seilen oder Ketten zusammengehalten. Ein Ross habe sich sogar den Fuss in einem kaputten Zaun eingeklemmt und verletzt. Pferdefreund L. weiss: «Der Tierarzt musste kommen.»

Kuh hängt zwischen Zäunen fest – Hofbesitzerin lacht

Überhaupt wirkt das Gelände veraltet und schmuddelig. Tobias L. sagt: «In und um die Ställe lagen Bierdosen und Abfall. Eine einzige Sauerei.»

Er wirft den Besitzern vor, sich nicht richtig um die Tiere zu kümmern. Der Sennenhund der Besitzerfamilie sei praktisch den ganzen Tag angekettet. Ein Foto zeigt den Hund, am Boden liegend, müde, festgebunden an einer Metallkette. 

Im Herbst habe die Besitzerin den Hof an ihre Tochter weitergegeben. Die junge Frau veröffentlichte in den sozialen Netzwerken das Bild einer Kuh, die zwischen zwei Abschrankungen im Stall festhängt. Die Metallstange drückt in ihren Bauch, beide Beine schweben in der Luft über dem Stallboden. Unter das Foto schrieb sie: «Kommt gut ...», dahinter drei Tränen lachende Smileys. Ob das Bild tatsächlich vom Hof stammt, ist unklar – über ihr Verständnis von Tierwohl sagt es dennoch etwas aus.

Das Veterinäramt sei in den letzten Jahren öfter zu Besuch gewesen, so Tobias L. weiter. Das Veterinäramt Zürich will das nicht kommentieren. Auf BLICK-Anfrage heisst es nur: Man sei nicht befugt, darüber Auskunft zu geben. Die Hofbesitzer wollten zu den Vorwürfen und zum tödlichen Unfall keine Stellung nehmen.

* Namen  geändert

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Wer haftet für den Unfall?

Wie die Rösser Leroy und Stone ihr Gehege auf dem Hof in Samstagern ZH verlassen konnten, ist noch unklar. Sollten sie aber ausgebüxt sein, könnte es für die Stallbesitzerin teuer werden. Rechtsanwältin Daniela Fischer erklärt, warum.

In den meisten Fällen bezahlt der Eigentümer des Pferdes den Stallbesitzer dafür, sein Tier sicher zu verwahren. «Kann das Pferd fliehen, ist der Stallbesitzer seiner Pflicht gar nicht oder ungenügend nachgekommen», sagt Fischer. 

Entsprechend müsse er für die Schäden aufkommen. Und zwar für jene an den Rössern und jene an Drittpersonen.

Anders ist es, wenn jemand das Gatter offen liess – oder die Tiere mutwillig befreite. Expertin Fischer dazu: «Wenn einer Person die klare Schuld am Schaden nachgewiesen werden kann, haftet sie.»

Eine mögliche Dritteinwirkung wird derzeit von Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft untersucht. Man ermittle mit Hochdruck in alle Richtungen, sagt Erich Wenzinger, Sprecher der Staatsanwaltschaft Zürich. 

Wie die Rösser Leroy und Stone ihr Gehege auf dem Hof in Samstagern ZH verlassen konnten, ist noch unklar. Sollten sie aber ausgebüxt sein, könnte es für die Stallbesitzerin teuer werden. Rechtsanwältin Daniela Fischer erklärt, warum.

In den meisten Fällen bezahlt der Eigentümer des Pferdes den Stallbesitzer dafür, sein Tier sicher zu verwahren. «Kann das Pferd fliehen, ist der Stallbesitzer seiner Pflicht gar nicht oder ungenügend nachgekommen», sagt Fischer. 

Entsprechend müsse er für die Schäden aufkommen. Und zwar für jene an den Rössern und jene an Drittpersonen.

Anders ist es, wenn jemand das Gatter offen liess – oder die Tiere mutwillig befreite. Expertin Fischer dazu: «Wenn einer Person die klare Schuld am Schaden nachgewiesen werden kann, haftet sie.»

Eine mögliche Dritteinwirkung wird derzeit von Kantonspolizei und Staatsanwaltschaft untersucht. Man ermittle mit Hochdruck in alle Richtungen, sagt Erich Wenzinger, Sprecher der Staatsanwaltschaft Zürich. 

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