Lange wird Christa Schmid (48) die grau-gelbe Uniform nicht mehr tragen. Vom Vorplatz ihres Bauernhofs in Retschwil LU schaut sie über das Seetal. Dort fährt sie ihre Touren, im 60-Prozent-Pensum. Den Rest der Zeit arbeitet sie mit ihrem Mann auf dem Hof. Neu soll sie in Luzern die Post vertragen. Das akzeptiert sie nicht. «Ich bin ein Landei», sagt sie. Die Konsequenz: Ihr wird gekündigt.
Anfang Jahr wurde in der Zustellstelle Hitzkirch, wo Schmid arbeitet, eine Reorganisation angekündigt. «Vor viereinhalb Jahren gab es schon einmal eine Reorganisation. Der Stress nahm zu, ich habe seither konstant 80 Überstunden», sagt Schmid.
Alle werden vorgeladen – und viele versetzt
Mit der Gewerkschaft Syndicom setzen die Hitzkircher Pöstler im Februar ein Schreiben auf. «Es war nicht böse formuliert», erzählt die gelernte Pöstlerin. SonntagsBlick liegt das Papier vor. Die Rede ist von Stress, von schlechter Diskussionskultur, von Überstunden. Das hat Wirkung: Es kommt zur Aussprache mit dem Leiter der Briefzustellregion Luzern. Auch Christa Schmid wird vorgeladen. Dann der Schock. «Fast alle, die den Brief unterschrieben haben, werden von Hitzkirch versetzt. Sie müssen nach Luzern oder Emmenbrücke.
Insgesamt sind fünf Leute betroffen – alles langjährige Post-Angestellte», so Schmid. «Offiziell heisst es, dass es keine Arbeit mehr gäbe in Hitzkirch. Aber wir glauben, dass es eine Strafmassnahme ist.» Denn: In Hitzkirch haben drei Neue angefangen. Sie kommen aus der Stadt.
Die Hitzkircher Pöstler akzeptieren die Änderungskündigung. Nicht aber Christa Schmid. «Mein Job beginnt um 6 Uhr morgens. Einen Bus habe ich nicht und um diese Zeit würde er auch nicht fahren. Mit dem Auto muss ich mit 45 Minuten Arbeitsweg rechnen.»
Nun arbeitet sie noch bis Ende September und hofft danach auf etwas Neues in der Nähe. «Zum Glück sind wir nicht auf ein Zusatzeinkommen angewiesen», sagt sie.
Niedergeschlagenheit ist überall zu spüren
Die Gewerkschaft Syndicom bestätigt den Sachverhalt. «Die Änderungskündigungen sind aus unserer Sicht unverhältnismässig. Wie durch den GAV vorgeschrieben, gab es einen Sozialplan. Aber dass dies einige Mitarbeitende als Retourkutsche empfinden, ist nachvollziehbar», sagt Sprecher Christian Capacoel.
Naturgemäss sieht die Post die Sache anders. «Bei der Zustellstelle Hitzkirch arbeiteten vor der Reorganisation vierzehn Teilzeit- und nur zwei Vollzeitmitarbeitende.» Dies habe zu Qualitäts- und Produktivitätsverlusten geführt. Dank der Reorganisation und der Erhöhung der Vollzeitpensen habe sich die Situation verbessert.
Die Post versichert: «Den Teilzeitmitarbeitenden in Hitzkirch wurden die nächstgelegenen freien Stellen angeboten.» Man habe die Zumutbarkeit und die Arbeitswege mitberücksichtigt.
SonntagsBlick spricht mit weiteren Betroffenen, die anonym bleiben möchten. Niedergeschlagenheit ist zu spüren. Christa Schmid sagt es so: «Früher war ich stolz, bei der Post arbeiten zu dürfen, heute ist es mir manchmal peinlich.» Sie werde bereits im Verein darauf angesprochen, was denn mit ihrem Unternehmen los sei.
Die Post betont: «Seit 2002 ist die Menge der verschickten Briefe um ein Drittel zurückgegangen.» Gleichzeitig sei die Menge Pakete gestiegen. Deshalb müsse man in Hitzkirch die Prozesse anpassen. Es ist ein exemplarischer Konflikt: Die Post muss dringend effizienter werden. Angestellte und Kunden befremdet das. Es gibt viele Hitzkirchs in der Schweiz.
Bereits im Juni kündigte die Postfinance den Abbau von 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020 an. Laut Gewerkschaften müssen über 1000 Mitarbeiter um ihre Stelle bangen. Zwei Drittel davon sollen über natürliche Fluktuation wie etwa Frühpensionierung erreicht werden. Aber: «Wir werden nicht darum herumkommen, auch Kündigungen auszusprechen», sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng (51). Die Finanztochter der Post begründet diesen drastischen Schritt mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Gleichzeitig leidet Postfinance unter sinkenden Zinserträgen.
Bereits im Juni kündigte die Postfinance den Abbau von 500 Vollzeitstellen bis Ende 2020 an. Laut Gewerkschaften müssen über 1000 Mitarbeiter um ihre Stelle bangen. Zwei Drittel davon sollen über natürliche Fluktuation wie etwa Frühpensionierung erreicht werden. Aber: «Wir werden nicht darum herumkommen, auch Kündigungen auszusprechen», sagte Postfinance-Chef Hansruedi Köng (51). Die Finanztochter der Post begründet diesen drastischen Schritt mit der zunehmenden Automatisierung und Digitalisierung von Prozessen. Gleichzeitig leidet Postfinance unter sinkenden Zinserträgen.